Wie leben Menschen hier und anderswo? Was passiert mit kaputtem Spielzeug? Woher kommt das Essen in unserer Kita? In der Kita entstehen durch Fragen der Kinder und normale Alltagsprozesse wie dem Einkauf oder der Müllentsorgung täglich Anlässe, um Themen einer nachhaltigen Entwicklung aufzugreifen.
Zwar haben Kinder die Umweltprobleme nicht verursacht und Strategien/Lösungen nachhaltiger Entwicklung brauchen ebenfalls einen politischen Rahmen, der weit über das Handlungsfeld der Kita hinausgeht. Zugleich sind Kitas Bildungsorte, die Kindern Zugänge zur Welt schaffen. Da Kinder in einer zunehmend komplexen und globalisierten Welt aufwachsen, brauchen sie Orientierung und Erfahrungsräume zu gesellschaftlichen Werten – insbesondere auch zu nachhaltiger Entwicklung. Viele Kitas haben sich deshalb bundesweit auf den Weg gemacht, um Bildung für eine nachhaltige Entwicklung zu verankern.
Was heißt Bildung für eine nachhaltige Entwicklung?
Bildung für eine nachhaltige Entwicklung (BNE) will Menschen in die Lage versetzen, nachhaltig zu denken und zu handeln. Das erfordert die Auseinandersetzung mit dem Mensch-Natur-Verhältnis und mit Fragen der Gerechtigkeit. Das Bildungskonzept stellt den Menschen in den Mittelpunkt der Betrachtung. Dieser soll handlungsfähig werden, um z.B. mit komplexen Situationen umzugehen, sich beteiligen zu können und eigene Standpunkte zu entwickeln. BNE will deshalb solche Kompetenzen fördern, um das eigene Leben, die Gesellschaft und die Zukunft im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung mitgestalten zu können.
Das Konzept orientiert sich an dem ethischen Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung, dem sich weltweit 178 Staaten verpflichtet haben. Hintergrund hierfür waren die global zunehmende Ungleichheit sowie die wachsenden Umweltprobleme wie Klimaerwärmung und der Verlust von Artenvielfalt. Um Lösungen für diese Probleme zu entwickeln, sind gesellschaftliche Veränderungen notwendig. Dazu ist das Um- und Neudenken von bisherigen Wirtschafts-, Lebens- und Konsummustern erforderlich. Ansatzpunkte bieten Schlüsselthemen nachhaltiger Entwicklung (z.B. Klimawandel, Ernährung, Energie) sowie die Nachhaltigkeitsstrategien: besser, anders, weniger, gerechter (vgl. u.a. Bund/Misereor (Hrsg.) 1996, S. 30 f.; Fritz/Schubert 2014, Schubert et al. 2012).
Das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung – Was steckt dahinter?
Das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung wurde 1992 auf einer UN-Konferenz in Rio von 178 Staaten verabschiedet. Es handelt sich um ein normatives Leitbild, in dem sich die Staaten mit einem politischen Aktionsprogramm – der Agenda 21 – verpflichten, ihr Handeln an dem Prinzip einer nachhaltigen Entwicklung auszurichten.
Das bedeutet sich für den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen einzusetzen, Gerechtigkeit weltweit und zwischen den Generationen zu gestalten und bisherige Lebens-, Wirtschafts- und Konsummuster i.S. von Nachhaltigkeitsstrategien neu- und umzudenken:
- Besser: effizientere Nutzungsformen finden und entwickeln.
- Anders: die Belastbarkeit von Ökosystemen, Kreisläufen und Jahreszeiten berücksichtigen.
- Weniger: den Verbrauch von Ressourcen reduzieren durch Verzicht auf umweltbelastende Prozesse und Überflüssiges.
- Gerechter: weltweit und zwischen den Generationen Ungerechtigkeiten verringern. (vgl. u.a. Bund/Misereor (Hrsg.) 1996)
Bildung stellt einen wesentlichen Schlüssel nachhaltiger Entwicklung dar. Deshalb riefen die Vereinten Nationen zunächst eine weltweite UN-Dekade zur Bildung für eine nachhaltige Entwicklung (2005 – 2014) aus, die nun durch ein Weltaktionsprogramm (2015 – 2019) fortgeführt wird. Eine sogenannte UNESCO-Roadmap beschreibt die Ziele. Im Zentrum steht insbesondere die strukturelle Verankerung von BNE. Auch Deutschland hat sich hierzu verpflichtet und eine Struktur entwickelt. Mehr dazu s. www.bne-portal.de sowie www.bmbf.de/de/bildung-fuer-nachhaltige-entwicklung-535.html.
Handlungsfeld Kita
Gemeinsam hinter die Dinge zu schauen, Zusammenhänge zu entdecken und auch den eigenen Alltag zu verändern – das sind Bildungsgelegenheiten für Klein und Groß, um sich mit zukunftsweisenden gesellschaftlichen Themen im Sinne von BNE auseinanderzusetzen. In allen Arbeitsfeldern der Kita – ob Bildungsarbeit, Betrieb der Einrichtung, Öffnung zum Umfeld bieten sich Anknüpfungspunkte, um das Konzept zu verankern. Denn BNE ist eine Querschnittsaufgabe und erfordert einen Perspektivwechsel für den bisherigen Alltag.
Ausgehend von der kindlichen Lebenswelt entstehen auf diese Weise Möglichkeiten zur Auseinandersetzung mit relevanten Fragen. So lernen Kinder, eigene Standpunkte zu finden, erleben, dass es Handlungs- und Mitgestaltungsmöglichkeiten gibt (Jeder kann etwas tun!). Und sie setzen sich mit den gelebten Werten in ihrem Umfeld auseinander. Dabei nehmen sie wahr, wie in ihrem Umfeld mit natürlichen Ressourcen umgegangen wird, welche Aspekte Kaufentscheidungen bestimmen (Preis, Herkunft, Herstellung, Belohnung …), ob der Aspekt der Gerechtigkeit und Solidarität mit Menschen in der direkten Umgebung bzw. weltweit eine Rolle spielt. Sie erfahren, wie ein respektvolles Miteinander und Teilhabe funktionieren können.
Wenn Bildung für eine nachhaltige Entwicklung in der Kita verankert ist, sind viele Dinge wie nachhaltiger Konsum (z.B. eine Reparaturwerkstatt, Faire Produkte, regionales und saisonales Essen) selbstverständlicher Teil des Alltags. Zugleich ist es wichtig, dies auch mit den Kindern zu besprechen, sodass sie bewusst erfahren, welche Grundpfeiler der Kita-Arbeit es gibt.
Auf das Team kommt es an: eine gemeinsame Basis schaffen
Voraussetzung für eine systematische Verankerung von BNE ist die Auseinandersetzung und Verständigung im Team. Ziel ist es, ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln, was Bildung für nachhaltige Entwicklung in der eigenen Kita im Alltag bedeutet und wie dies im Profil der eigenen Konzeption sichtbar werden soll.
Leitende Fragen für den Gesamtprozess sind:
- Wie können wir Fragen nachhaltiger Entwicklung im Alltag aufgreifen und Erfahrungsfelder für Klein und Groß ermöglichen?
- Wie können wir als Kita nachhaltiger werden und dies auch sichtbar machen? (z.B. bei unserer Beschaffung)
Wenn BNE für die pädagogischen Fachkräfte neu ist, ist es sinnvoll, zunächst Hintergrundinformationen zu vertiefen, die Idee der nachhaltigen Entwicklung vorzustellen und deren persönliche Bedeutung für jeden einzelnen zu reflektieren.
Eine nachfolgende Bestandsaufnahme in der Einrichtung hilft dann dabei, einen guten Überblick zum Ist-Stand in der Kita zu gewinnen. Denn in der Regel gibt es bereits verschiedene Aspekte zur Verankerung von BNE, die bearbeitet werden.
- Was wird bereits zu nachhaltiger Entwicklung gemacht?
- Was macht die Kita, um Fragen, Erfahrungsfelder oder Kriterien nachhaltiger Entwicklung im Alltag aufzugreifen?
- Wie wird Beteiligung gerade auch mit Blick auf nachhaltige Entwicklung gestaltet/ermöglicht?
Der Blick durch die »Nachhaltigkeitsbrille« hilft, neue Ansatzpunkte im Alltag zu entdecken, die künftig stärker in den Fokus genommen werden sollen. Zum Beispiel gestalten viele Kitas Waldtage, um den Kindern einen Bezug zur Natur zu schaffen. Mit dem Blick durch die »Nachhaltigkeitsbrille« erweitern sich die Zielsetzungen und die inhaltliche Begleitung von Bildungsprozessen durch die pädagogischen Fachkräfte. So kommt ggf. neu hinzu, den Wald als Lebensraum für Mensch und Tiere zu betrachten und den Nutzungsaspekt mit zu thematisieren. Bäume werden gefällt, das Holz wird zur Herstellung von Papier, Möbeln oder zum Heizen genutzt. So begreifen Kinder Zusammenhänge, setzen sich mit der Bedeutung des Lebensraumes für Mensch und Tier und so mit dem Mensch-Natur-Verhältnis sowie dem Nutzen von Ressourcen auseinander.
Neue Ansatzpunkte und Entwicklungsfelder werden nach der Bestandsaufnahme festgehalten und priorisiert. Zum Abschluss werden die nächsten Schritte benannt. Dabei wird auch festgelegt, wann sich das Team wieder mit BNE beschäftigt (Weitere methodische Anregungen dazu in Fritz/Schubert 2014).
Arbeitshilfen zur Bestandsaufnahme
www.agenda21.info/aGEnda21_dokumente/A21KitaCheck.pdf
www.zukunft-einkaufen.de/fileadmin/ZE%20II/Arbeitshilfen/ZE_Checkliste_0709.pdf
Betrieb: Mit der »Nachhaltigkeitsbrille« unterwegs
Gerade der Betrieb zeigt, was einer Einrichtung wichtig ist: Woher kommt der Strom der Einrichtung? Welche Baustoffe werden verwendet? Wo wird das Büromaterial beschafft? Woher kommt das Essen? Welche Kriterien gibt es für die Auswahl des Spielzeugs? Wie ist das Außengelände gestaltet?
Vielfach gibt es Festlegungen durch den genutzten Bau, Vorgaben durch den Träger oder beispielsweise fehlende Anbieter für bestimmte Dienstleistungen, die kaum Handlungsspielraum für Veränderungen lassen. Trotzdem gibt es in jeder Einrichtung Möglichkeiten, Dinge im Sinne der Nachhaltigkeitsstrategien zu verändern und nachhaltiges Handeln zu verankern und dieses sicht-/erfahrbar zu machen.
Ansatzpunkte sind entweder einzelne Felder, die etwa im Zuge von Projekten, Wettbewerben oder Kampagnen bearbeitet werden oder Zertifizierungen/Auszeichnungen, die die gesamte Einrichtung in den Blick nehmen. Dazu einige Beispiele:
Die Elterninitiative »Villa Kunterbunt« aus Dinslaken hat u.a. einen Nachhaltigkeitsbericht für die eigene Einrichtung formuliert. Dieser macht Eckpfeiler der Arbeit sichtbar und beschreibt Entwicklungsfelder. Im betrieblichen Bereich haben sie etwa durch die Beteiligung am Projekt »FaireKITA NRW« Produkte aus fairem Handel eingeführt. Bei der Beschaffung von Möbeln gilt reparieren vor neu kaufen: »So haben viele unserer Möbel eine lange Geschichte zu erzählen.«, so die Leitung Sigrun Kampen. Auch beim Spielzeug gilt die Devise weniger ist mehr. (Mehr dazu: www.villa-kunterbunt-dinslaken.de/html/Nachhaltigkeit.html)
Der Träger Pfefferwerk Stadtkultur gGmbH in Berlin hat sich in Zusammenarbeit mit dem Unabhängigen Institut für Umweltfragen e.V. (UfU) das Ziel gesetzt, Klimaschutz in allen 17 Kitas umzusetzen. Ein Schwerpunkt war neben pädagogischen Aspekten ein nachhaltiges Gebäudemanagement zu etablieren. Dazu wurden bei Rundgängen mit den Experten vom UfU Schwachstellen identifiziert, z.B. bei Nachtabsenkungen der Heizung oder dem Lüftungsmanagement (Mehr dazu Müller 2014, S. 122 ff. und unter http://www.ufu.de/de/projekte/energiedetektive.html).
Der Evangelische Kirchenkreis Dortmund wiederum hat seine Lebensmittellieferungen für die 50 Kitas des Trägers umgestellt. So sollen die Produkte, die in den Kitas gegessen werden, möglichst aus biologischem Anbau kommen. Dazu hat der Träger einen Rahmenvertrag mit einem örtlichen Lieferanten geschlossen. (Mehr dazu s. BfdW/Diakonie S. 33 f.)
Andere Einrichtungen beteiligen sich an Zertifizierungs- und Auszeichnungsverfahren, die speziell Nachhaltigkeit bzw. Umweltmanagement im Blick haben. Dazu zählt in Norddeutschland beispielsweise das Verfahren KITA21 der »Save our Future Stiftung«, kirchliche Initiativen wie »Grüner Hahn/Gockel«, »kita ökoplus« sowie »Zukunft einkaufen« oder das europäische Umweltmanagementsystem »EMAS« (Mehr dazu s. BfdW/Diakonie 2015: S. 48 ff. sowie Fritz/Schubert 2014: S. 41 ff.). Wenn Auszeichnungen sich auf einzelne Aspekte konzentrieren (z.B. FaireKITA NRW auf den Aspekt Fairen Handel) sind diese deutlich weniger aufwendig und können einen Einstieg in einen längeren Prozess bieten. Sinnvoll ist es auch, das vorhandene Qualitätsmanagementsystem, um den Aspekt der nachhaltigen Entwicklung zu erweitern. Solche Verfahren erfordern zeitliche und personelle Ressourcen, die gerade auch seitens des Trägers dafür vorgesehen werden müssen.
Weitere Informationen
Fazit
Kitas haben vielfältige Ansatzpunkte, um Kindern Zugänge zu komplexen Fragen rund um nachhaltige Entwicklung zu bieten. Durch die Verankerung von BNE in ihrem Alltag schaffen sie Möglichkeiten dafür, dass Kinder ihre Fähigkeiten und Kompetenzen zu nachhaltigem Denken und Handeln erweitern. Mit der »Nachhaltigkeitsbrille« können dazu Potenziale im Alltag der eigenen Einrichtung entdeckt werden. Erfahrungen anderer Einrichtungen oder Hilfestellungen aus anderen Projekten und Initiativen wie Leuchtpol können genutzt werden, um den Prozess in der eigenen Kita zu starten.
Literatur
Brot für die Welt (BfdW)/Diakonie Deutschland (Hrsg.) (2015): Alle guten Gaben. Warum gesundes und nachhaltiges Essen in der Kita wichtig ist. Berlin.
Bund/Misereor (Hrsg.) (1996): Zukunftsfähiges Deutschland. Ein Beitrag zu einer global nachhaltigen Entwicklung. Studie des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie GmbH. Basel, Boston, Berlin: Birkhäuser.
Deutsche UNESCO-Kommission e.V. (Hrsg.) (2014): UNESCO Roadmap zur Umsetzung des Weltaktionsprogramms »Bildung für nachhaltige Entwicklung«, Bonn.
Fritz, Lubentia/Schubert, Susanne (2014): Bildung für nachhaltige Entwicklung. kindergarten heute Reihe praxis kompakt. Freiburg i.Br.: Herder Verlag.
Müller, Heike: Energiesparen in der Kita – Klimaschutz macht Spaß. In: KiTa aktuell MO, 5/2014, S. 122 – 124. Carl Link Verlag.
Schubert, Susanne et al. (Hrsg.) (2012): Nachhaltigkeit entdecken, verstehen, gestalten. Weimar/Berlin.
Internetquellen:
www.bmbf.de/de/bildung-fuer-nachhaltige-entwicklung-535.htmlhttp://www.bmbf.de/de/bildung-fuer-nachhaltige-entwicklung-535.html, Zugriff 07.01.2016.
Deutsche UNESCO-Kommission e.V. (o.J.): Bildung für nachhaltige Entwicklung – BNE-Portal. www.bne-portal.de/was-ist-bne/grundlagen/nachhaltigkeitsbegriff/, Zugriff 07.01.2016.
www.villa-kunterbunt-dinslaken.de/html/Nachhaltigkeit.html, Zugriff 07.01.2016.