Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung heißt es z.B. »Wir wollen die bestmögliche Betreuung für unsere Kinder und die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf« (CDU, CSU und SPD 2018, S. 20). Gleichzeitig wird dort auch erkannt, dass dies nur möglich ist, wenn »die erforderlichen Fachkräfte zur Verfügung stehen«.
Milliarden des Bundes für die Qualität?
Die Mittel des Bundes in Höhe von 3,5 Mrd. € (für 2019 bis 2021) sollen für Gebührenfreiheit, Qualität und Ausbildung ausgegeben werden. Bezuggenommen wird dabei auf den Beschluss der Jugend- und Familienministerkonferenz von 2017, dieser soll laut Koalitionsvertrag auch umgesetzt werden. Dort wird die dauerhafte Unterstützung des Bundes »zur Sicherung einer qualitativ hochwertigen Kindertagesbetreuung« als notwendig angesehen, ebenso aber auch die »partizipative Einbindung der relevanten Akteurinnen und Akteure« in den Qualitätsentwicklungsprozess (S. 2). Es kommt also wesentlich darauf an, was in den Zielvereinbarungen mit den Ländern vereinbart wird und wo die Schwerpunkte zwischen Gebührenfreiheit, Qualität und Ausbildung gesetzt werden. Ganz wichtig dabei ist, dass Qualitätsentwicklung in neun verschiedenen Bereichen definiert wird (vgl. Bundesministerium 2016): Bedarfsgerechtes Angebot, inhaltliche Herausforderungen, Fachkraft-Kind-Schlüssel, Fachkräfte, Stärkung der Leitung, räumliche Gestaltung, Bildung, Entwicklungsförderung und Gesundheit, Qualitätsentwicklung und -sicherung in der Kindertagespflege sowie Steuerung im System. In diesen Bereichen sollen sich demnach auch die Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern bewegen.
Dazu nachfolgend ein Rechenbeispiel, wenn nur die Beitragsfreiheit für die Eltern berücksichtigt würde. Die riesig erscheinende Summe erscheint dann winzig, wenn einmal davon ausgegangen wird, dass 2016 3,4 Millionen Kinder in 66.455 Kindertageseinrichtungen (dazu kommt noch die Kindertagespflege mit 43.470 Einheiten) betreut wurden (Zahlen aus dem Fachkräftebarometer). Nimmt man die durchschnittlichen Ausgaben von Kommunen und Ländern von 4.778 € pro Kind und Jahr (2014) und geht man von einem durchschnittlichen Elternbeitrag von 9,5% (wie z.B. in NRW 2014) aus, so müsste der Bund einen jährlichen Beitrag pro Kind von 453,91 € aufbringen. Das bedeutet pro Jahr einen Beitrag von 1,543 Mrd. €, auf drei Jahre 4,629 Mrd. €. Selbst wenn der Bund nur die Hälfte beisteuern würde, wären dies noch 2,314 Mrd. €. In diesem Fall wären es pro Jahr 400 Millionen Euro oder pro Kind gerade einmal 117,64 €. Fraglich ist dann, was noch für die beiden weiteren oben genannten Aufgaben (Qualität und Ausbildung) übrig bliebe. Laut der Berechnungen von Rauschenbach et al. (S. 51) ist bei einer kompletten Beitragsfreiheit (dadurch, dass bereits Elternbeiträge übernommen werden) mit zusätzlichen Kosten von 3,77 Mrd. € für die öffentliche Hand zu rechnen. Übrigens würde die Beitragsfreiheit, wenn sie denn als Qualitätsmerkmal definiert würde, kaum eine Verbesserung der oben genannten neun Handlungsbereiche bringen. Wesentlich wird es bei der Verteilung der Gelder also auf die Vereinbarungen der Länder und dort auf die Partizipation der relevanten Stakeholder ankommen.
Fachkräftemangel objektiv und subjektiv
Weiter muss nüchtern gesehen werden, dass derzeit (ohne irgendwelchen Mehrbedarf) von 2016 bis 2025 laut Hochrechnung ein Fachkräfteersatzbedarf in Höhe von 171.171 besteht. Pro Jahr ist mit ca. 26.000 Absolventinnen und Absolventen zu rechnen (vgl. Schilling 2017, S. 179), bei einem Ersatzbedarf von 12.400 und 14.700 in den Jahren 2017 und 2018 wären also noch (rein rechnerisch) Kapazitäten vorhanden. Dem gegenüber stehen aber auch Herausforderungen wie demografische Veränderungen durch Zuwanderung und Anstieg der Geburtenrate, ein weiterer Ausbau und Qualitätsverbesserungen. Zusammengerechnet wird bis 2025 einer prognostizierten Ausbildung von 260.000 Personen ein Bedarf von 526.170 Fachkräften gegenüber stehen.
Dementsprechend ist auch für die Zukunft ein Fachkräftemangel anzunehmen, der sich eher noch verschärfen wird. Noch genauer haben dies Rauschenbach, Schilling und Meiner-Teubner in drei verschiedenen Szenarien ausgerechnet, dementsprechend ist nur aufgrund demografischer Veränderungen und des Ersatzbedarfes (Szenario 1) mit 205.000 bis 213.000 zusätzlichen Fachkräften in Kitas zu rechnen. Sollen darüber hinaus noch die Elternwünsche Berücksichtigung finden (Szenario 2) und zusätzlich noch der Personalschlüssel verbessert werden (Szenario 3) ist mit 310.000 bis hin zu 583.000 zusätzlichen Fachkraftstellen zu kalkulieren und zwar ohne Fachpersonal im Bereich der Kindertagespflege und ohne Personalstellen an Ganztagsschulen (vgl. Rauschenbach et al. 2017, S. 29). Bei derzeitigen Kosten pro Fachkraftstelle von ca. 58.000 € dürfte der Kostenaufwand nicht unerheblich sein.
Wie sieht es derzeit vor Ort aus? Obwohl es (s.o.) laut Statistik »unterm Strich« keinen Fachkräftemangel geben sollte, sieht die Praxis vor Ort ganz unterschiedlich aus. Das liegt an unterschiedlichen Gründen: Die Anzahl der Personen sagt noch nichts über die Qualität der jeweiligen Qualifizierung aus, es gibt örtliche Unterschiede und: zunehmende Aufgaben und Belastungen lassen etwaig vorhandene Reserven dahinschmelzen. Für Rheinland-Pfalz konnte in der Studie zum Bürokratie- und Verwaltungsaufwand (Schneider 2018a) nachgewiesen werden, dass der Fachkräftemangel, verbunden mit einem Personalausfall durch Krankheit und Belastungen, für über die Hälfte der Kitas ein real existierendes Problem ist.
Eng damit verbunden sind die in den letzten Jahren enorm gestiegenen Belastungen durch die zunehmende Komplexität und den Aufwand an Verwaltungstätigkeiten, der in aller Regel bei den Leitungen hängenbleibt. Auch von anderen Bundesländern ist Ähnliches zu berichten. Auch in einer Befragung von Studierenden (Schneider 2018b) lässt sich beobachten, dass bei ca. 60% der Personalmangel ein tatsächliches Problem darstellt, an den weiteren Stellen sind dies die Personalzumessung (Personalschlüssel) und höhere Anforderungen an die pädagogische Arbeit. Jeweils auch von fast einem Viertel der Befragten wird angegeben, dass es einen Mangel an gutem Personal gibt. Eine Aussage einer Trägervertreterin eines größeren Trägers: »Wir müssen alle nehmen, die sich bei uns bewerben, egal wie gut oder schlecht die sind«.
Unterstrichen werden diese (eher lokal und auf einen Adressatenkreis bezogenen Erkenntnisse) auch durch die aktuelle Studie des Deutschen Kitaleitungskongresses (Wolters Kluwer 2018). Demnach sind nur 28% der Kita-Leitungen mit dem Qualifikationsniveau von staatlich anerkannten Erzieher/innen unmittelbar nach der Ausbildung hochgradig zufrieden (S. 23), bei einem Studium liegt der vergleichbare Wert bei 86%. Zusammengefasst: Ja, es gibt einen subjektiv erkennbaren Fachkräftemangel, der nach objektiven Erkenntnissen in den nächsten Jahren noch steigen wird. Und: Es sind weitere Anstrengungen zur Qualität der Ausbildung, insbesondere in den Fachschulen erforderlich, um praxisadäquat auszubilden.
Qualität und Evaluation geraten ins Hintertreffen
Wie wirken sich der oben genannte, wohl noch sehr ungewisse, Geldsegen und der Fachkräftemangel auf das aus, was gemeinhin gefordert wird: die Qualität in den Einrichtungen und eine Evaluation als ein Bestandteil (übrigens beides auf Bundesebene im § 22a des SGB VIII grundgelegt)? Dazu gibt es bisher kaum verlässliche Aussagen, sondern höchstens einige bemerkenswerte Tendenzen und Hinweise, die einer näheren Betrachtung und Erforschung bedürfen.
In der schon genannten Studierendenbefragung ist verglichen mit vorherigen Befragungen festzustellen, dass z.B. der Anteil der Einrichtungen, bei denen Qualitätsmanagement und Qualitätsentwicklung keine Rolle spielt bzw. zwar vorgegeben, aber noch nicht umgesetzt ist, von 2014 von damals 10,7% auf 32,5% gestiegen ist. Weniger Einrichtungen können von sich behaupten, dass sie Qualitätsmanagement und Qualitätsentwicklungen konsequent umsetzen oder dies ein wesentlicher Bestandteil der Arbeit sei (2014: 38,3%, 2018: 22,5%).
Bezogen auf die Durchführung von Evaluationen, die von den Studierenden in dem betreffenden Modul des Studienganges »Bildungs- und Sozialmanagement mit Schwerpunkt frühe Kindheit« an der Hochschule Koblenz gefordert wird, widmeten sich erkennbar mehr Studierende dem Thema der innerbetrieblichen Organisation sowie der Eltern- und Familienorientierung. Wirkungen zeigten die Evaluationen in erster Linie auf das eigene Professionsverständnis, das Team, die Zusammenarbeit mit den Kindern sowie die Zusammenarbeit mit den Eltern. Deutlich weniger wurden nach der (im Studium) verpflichtenden Evaluation weitere Evaluationen durchgeführt. 2014 gaben 34% an, weitere Evaluation durchgeführt zu haben, 2018 nur noch 17,5%. Keine weitere Evaluation beabsichtigten 2015 21,3%, 2018 waren es schon 40% der Befragten. Als Gründe für Letzteres wurde von der Hälfte angegeben, auf Widerstände im Team zu stoßen, teilweise wurde auch eine Evaluation von der Leitung nicht gewünscht. Dass Evaluationen nicht nur die Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen sind, sondern dem eigenen Professionsverständnis und der Verbesserung der Arbeit dienen, zeigen eine Reihe der Antworten der Befragten: »Die pädagogischen Fachkräfte änderten bereits während der Evaluation ihr Verhalten. Strukturen, Belastungsfaktoren und Abläufe wurden verändert und angepasst […] Die Evaluation wirkte nachhaltig. Der Teamgedanke wurde gestärkt«.
Insgesamt sind dies deutliche Hinweise darauf, dass sich, zurückhaltend ausgedrückt, die Begeisterung in den Kitas in Bezug auf Qualität und Evaluation in Grenzen hält. Mutmaßlich kann dies mit dem o.g. Fachkräftemangel und den Belastungen zusammenhängen.
Laut DKLK-Studie haben 48,3% der Befragten noch kein Qualitätsmanagementsystem, 29,3% planen ein solches, das bedeutet, dass Qualität noch längst nicht überall Thema ist. Die berechtigte Frage ist auch die, wie die Qualitätsmanagementsysteme auch zur Verbesserung der tatsächlichen Qualität beitragen. Bedenklich stimmt in diesem Zusammenhang, dass 52,4% der Befragten angaben ein »sonstiges« Qualitätsmanagementsystem zu nutzen, hier ist anzunehmen, dass darunter auch viele »selbstgestrickte« Systeme stehen, die jenseits der Kriterien von bewährten und in der Praxis hinlänglich erprobten Systemen stehen. Andererseits ist bei der DKLK-Studie herausgekommen, dass nur 1,2% ein Qualitätsmanagementsystem als nicht sinnvoll ansehen. Mit anderen Worten: Bei den Leitungen der Kitas ist die Notwendigkeit von Qualitätsmanagementsystemen angekommen. Weiter kann gefolgert werden, dass es wohl nicht am Willen der Leitungen fehlt, wenn Qualitätsmanagementsysteme nicht eingesetzt werden. Es wird wohl eher an Rahmenbedingungen, Belastungsfaktoren und dergleichen liegen. Aber nur, wenn die Arbeit in der Kita gesellschaftlich wertgeschätzt wird und die Qualität stimmt, dann werden sich auch in Zukunft noch Fachkräfte finden lassen, die diese gesellschaftliche Aufgabe übernehmen.
Fazit
Entwicklungen und Zahlen über die künftigen Bedarfe sind bekannt. Es kommt entscheidend auf die Länder und auf die beteiligten Trägerverbände und Fachverbände an, ob aus den Qualitätsversprechungen auf Bundes- und Landesebene tragfähige und für die Praxis erkennbare Qualitätssteigerungen folgen, die auch und gerade in Zeiten des Fachkräftemangels wirken und zukunftsfähig sind. Und: Es wäre relativ naiv, nur auf die zusätzlichen Bundesmittel zu hoffen.
Literatur
Autorengruppe Fachkräftebarometer (2017): Fachkräftebarometer Frühe Bildung 2017. München: Deutsches Jugendinstitut.
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und Jugend- und Familienministerkonferenz (2016): Frühe Bildung weiterentwickeln und finanziell sichern. Zwischenbericht.
CDU, CSU und SPD (2018): Ein neuer Aufbruch für Europa. Eine neue Dynamik für Deutschland. Ein neuer Zusammenhalt für unser Land. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD. Berlin.
Jugend- und Familienministerkonferenz (2017): Frühe Bildung weiter entwickeln und finanziell sichern – Eckpunkte für eine Qualitätsentwicklungsgesetz.
Rauschenbach, T./Schilling, M./Meiner-Teubner, C. (2017): Plätze. Personal. Finanzen – der Kita-Ausbau geht weiter. Zukunftsszenarien zur Kindertages- und Grundschulbetreuung in Deutschland. Version 2–2017. Dortmund: akj-Stat.
Schilling, M. (2017): Künftiger Personalbedarf – eine Projektion bis 2025. In: Autorengruppe Fachkräftebarometer. Fachkräftebarometer Frühe Bildung 2017. München: Deutsches Jugendinstitut. S. 176–185.
Schneider, A. (2018a): Bürokratie- und Verwaltungsaufwand in Kitas in Rheinland-Pfalz. Limburg: Verlag des Bischöflichen Ordinariates.
Schneider, A. (2018b): Evaluation und Qualität in Zeiten des Fachkräftemangels. Befragung der Studierenden des Studiengangs Bildungs- und Sozialmanagement mit Schwerpunkt frühe Kindheit Januar/Februar 2018. Koblenz [unveröffentlichtes Manuskript].
Wolters Kluwer Deutschland (2018): DKLK-Studie 2018. Befragung zur Wertschätzung und Anerkennung von Kita-Leitungen. Köln.