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Kinderrechte kennen und in der pädagogischen Arbeit berücksichtigen

Anlässlich des 30-jährigen Jubiläums der UN-Kinderrechtskonvention werden in diesem Beitrag die Kinderrechte vorgestellt. Dass Kinder ihre Rechte kennen, ist Teil eines präventiven Kinderschutzes. Die Kita ist ein wichtiger Ort, um Mädchen und Jungen mit ihren Rechten vertraut zu machen und sie im alltäglichen Leben umzusetzen.

Kinderrechte in der Kita verankern

Kinderrechte in der Kita verankern

Dieser Artikel basiert auf der Arbeitshilfe »Kinderschutz und Kinderrechte«, die im August 2019 vom Deutschen Kinderschutzbund Landesverband NRW e.V. herausgegeben wurde. In der Arbeitshilfe finden sich vielfältige Anregungen und Beispiele für die Praxis. Wer mehr lesen will, findet die Arbeitshilfe als PDF zum Download unter www.kinderschutz-in-nrw.de.

Kinderrechte von Geburt an

Kinder haben Rechte. Überall auf der Welt. Sie sollen in Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden aufwachsen können. Ganz egal, woher sie stammen und wo sie leben. Kinder sind von Geburt an Träger von Rechten. Die Kinderrechte müssen nicht erworben oder verdient werden, sie sind Ausdruck der Würde, die jedem Jungen und jedem Mädchen eigen ist.

Wieso gibt es Kinderrechte?

Kinder sind Erwachsenen gleichgestellt, da sie Menschen mit Recht auf Leben und Würde sind. Und doch gibt es wichtige Unterschiede. Das sind allen voran die Asymmetrien im Verhältnis zueinander. Erwachsene tragen Verantwortung für Kinder – Kinder jedoch keine für Erwachsene. Erwachsene haben gegenüber Kindern einen Erfahrungsvorsprung, der es ihnen ermöglicht, Schützende für Kinder zu sein – Kinder sammeln Erfahrungen, und brauchen dabei achtsame Begleitung durch Erwachsene.

Kinder sind also keine kleinen Erwachsenen, sondern Menschen in einer besonderen Lebensphase mit besonderen Bedürfnissen. Sie benötigen Fürsorge, Schutz und Unterstützung. Dem wollen die Kinderrechte gerecht werden, indem sie diese besonderen Bedürfnisse berücksichtigen. Die Kinderrechte sichern nicht nur die Menschenwürde von Kindern, sondern beschreiben auch einiges von dem, was Kinder für ein gutes Aufwachsen brauchen.

Erwachsene als Verantwortungsträger

Dass Kinder als Träger eigener Rechte gelten, korrespondiert mit der Pflicht der Erwachsenen, Verantwortung für die Umsetzung der Kinderrechte zu übernehmen. Außerdem ist es ihre Aufgabe, Kinder über ihre Rechte zu informieren. Denn Kinder können ihre Rechte erst dann nutzen, wenn sie ihnen bekannt sind. Das betrifft auch den Alltag in der Kita.

Die UN-Kinderrechtskonvention

Im November 1989 markierten die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen mit der Verabschiedung des »Übereinkommens über die Rechte des Kindes« einen historischen Wandel im Verständnis von Kindern und Kindheit. Kinder wurden nicht länger als unmündige Wesen betrachtet, sondern als Individuen mit eigenen Rechten anerkannt.

Die Konvention über die Rechte des Kindes schreibt Grundrechte fest, die völkerrechtlich verbindlich sind. Die Bundesrepublik Deutschland gehört mit zu den Staaten, die sich verpflichtet haben, die UN-Kinderrechtskonvention umzusetzen. Am 5. April 1992 ist sie für Deutschland mit Vorbehalten in Kraft getreten. Seit 2010 gilt sie vollständig.

Das Besondere an der UN-Kinderrechtskonvention ist ihr integrativer Charakter. Sie bezieht sämtliche menschenrechtlichen Bereiche der Altersgruppe Kinder mit ein und umfasst damit soziale und ökonomische Rechte ebenso wie bürgerliche, politische und kulturelle Rechte.

Die vier Grundprinzipien der Kinderrechtskonvention

Vier Artikel der UN-Kinderrechtskonvention gelten als besonders wichtig. Sie sind als allgemeine Prinzipien zu verstehen, die Leitlinien für das Verständnis sämtlicher Artikel der UN-Kinderrechts-konvention darstellen.

Man könnte auch sagen, dass die gesamte UN-Kinderrechtskonvention von dem Geist dieser vier Artikel durchdrungen ist:

Das Recht auf Gleichbehandlung (Art. 2)

Alle Artikel der Konvention gelten ausnahmslos für jedes Kind auf der Welt. Kein Kind darf benachteiligt werden, sei es wegen seines Geschlechts, seiner Herkunft und Abstammung, seiner Staatsbürgerschaft, seiner Sprache oder Religion, seiner Hautfarbe, aufgrund einer Behinderung, wegen seiner politischen Ansichten oder aus anderen Gründen. Ein ausländisches Kind darf nicht anders behandelt werden als ein einheimisches Kind.

Der Vorrang des Kindeswohls (Art. 3)

Wann immer es um Entscheidungen geht, die sich auf Kinder auswirken können, muss das Wohl des Kindes vorrangig berücksichtigt werden. Das gilt für Straßenbauprojekte in einer Stadt ebenso wie beispielsweise für die Gestaltung des Außengeländes einer Kita.

Das Recht auf Leben und persönliche Entwicklung (Art. 6)

Das grundlegendste Menschenrecht ist das Recht auf Leben. In Art. 6 der Konvention ist es mit dem Recht auf Entwicklung verknüpft. Dieses Recht ist auch in der Kita von großer Bedeutung. Die Bundesrepublik Deutschland ist die Verpflichtung eingegangen, die Entwicklung der Kinder im größtmöglichen Umfang zu sichern. Die Verpflichtung findet in der pädagogischen Arbeit in der Kita ihre konkrete Umsetzung.

Das Recht auf Berücksichtigung der Meinung des Kindes (Art. 12).

Kinder sollen respektiert und ernst genommen werden. Wenn Erwachsene Entscheidungen treffen, die Kinder betreffen, müssen die Kinder ihrem Alter und ihrer Reife gemäß einbezogen werden. Kinder dürfen erwarten, dass man sie anhört und ernst nimmt. Die alltäglichen Abläufe in einer Kita bieten mannigfaltige Möglichkeiten für die Beteiligung von Kindern. Diese reichen von einem Gremium wie dem Kinderrat bis zu einfachen Abstimmungen mit Bildkarten, die Meinungsbekundung jenseits von Sprache ermöglichen.

Die zehn Grundrechte der Kinder

UNICEF, das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, fasst die Artikel der Kinderrechte kindgerecht zu zehn prägnanten Grundrechten zusammen:

  1. 1.

    Recht auf Gleichheit: Kein Kind darf benachteiligt werden. Es darf z.B. keine Rolle spielen, ob das Kind ein Mädchen oder ein Junge ist, welche Sprache es spricht und welche Hautfarbe oder Religion es hat.

  2. 2.

    Recht auf Gesundheit: Alle Kinder haben das Recht, gesund aufzuwachsen. Das geht nur, wenn sie gute Ernährung und sauberes Trinkwasser bekommen und bei Krankheit ausreichend behandelt werden.

  3. 3.

    Recht auf Bildung: Da Lernen so wichtig ist, haben alle Kinder das Recht, zur Schule zu gehen. Sie haben später auch das Recht, eine Ausbildung nach ihren Bedürfnissen und Fähigkeiten zu machen.

  4. 4.

    Recht auf Spiel und Freizeit: Alle Kinder auf der Welt sollen spielen dürfen. Sie haben das Recht, Sport zu machen, künstlerisch tätig zu sein und sich auch auszuruhen.

  5. 5.

    Recht auf freie Meinungsäußerung: Jedes Kind hat das Recht, seine Meinung frei zu sagen. Erwachsene sollen die Kinder dabei ernst nehmen und sie bei allen Sachen, die sie betreffen, mitsprechen lassen.

  6. 6.

    Recht auf Schutz vor Gewalt: Kein Kind darf misshandelt werden. Das heißt z.B., dass es nicht geschlagen werden darf.

  7. 7.

    Recht auf Schutz im Krieg und auf der Flucht: Kinder, die Krieg miterleben oder vor »schlimmen Sachen« flüchten müssen, sind besonders vielen Gefahren ausgesetzt. Deswegen haben sie auch ein Recht auf besonderen Schutz.

  8. 8.

    Recht auf Schutz vor Ausbeutung: Kein Kind muss eine Arbeit ausführen, wenn seine Gesundheit oder Entwicklung dadurch gefährdet werden.

  9. 9.

    Recht auf elterliche Fürsorge: Alle Kinder haben das Recht, bei ihrem Vater und ihrer Mutter zu leben – auch wenn diese getrennt leben. Die Eltern kümmern sich um das Wohl des Kindes.

  10. 10.

    Recht auf besondere Betreuung bei Behinderung: Kinder mit Behinderungen haben die gleichen Rechte wie alle anderen. Oft benötigen sie aber eine besondere Betreuung.

Pädagogische Arbeit zu Kinderrechten

Die zehn Grundrechte (siehe Kasten) eignen sich sehr gut für eine Projektarbeit in der Kita. Dafür gibt es vielfältige Möglichkeiten. So kann sich z.B. ein Kinderrecht als »roter Faden« durch eine Woche ziehen. Nachdem ein Kinderrecht vorgestellt wurde, könnten Kinder und Erzieher/innen in der Kita Ausschau danach halten, wo dieses Recht schon gut umgesetzt ist oder in welchen Bereichen dieses Recht noch besser umgesetzt werden könnte.

Mit Kindern und Eltern über Kinderrechte sprechen

Wenn in der Kita mit Kindern zu ihren Rechten gearbeitet wird, kann es sein, dass Eltern dies nicht nur positiv aufnehmen. Den Fachkräften begegnen Eltern, die ihrer Sorge Ausdruck verleihen, dass die Kinder durch die Arbeit mit Kinderrechten gegen sie aufgebracht werden oder dass der Erziehungsalltag erschwert wird. Zuweilen ist auch die Befürchtung zu hören, dass die Stärkung der Kinder mit einer Schwächung der Eltern einhergeht.

Diese Sorgen und Befürchtungen sind durchaus ernst zu nehmen, bilden sie doch eine Verunsicherung der betroffenen Eltern ab. Wenn Mütter und Väter keine genaue Vorstellung davon haben, was Kinderrechte sind und wie zu ihnen gearbeitet wird, können sie dieses Wirken nicht konstruktiv begleiten und unterstützen.

Es entlastet Eltern vermutlich, wenn sie davon hören, dass die UN-Kinderrechtskonvention die Rolle und Bedeutung der Eltern anerkennt und stärkt. Nicht nur, indem sie dazu auffordert, dass die Aufgaben und Rechte der Eltern geachtet werden (Art. 5), sondern auch, indem der Staat verpflichtet wird, die Eltern in angemessener Weise bei der Erfüllung ihrer Aufgabe, das Kind zu erziehen, zu unterstützen (Art. 18). Wenn die Eltern dann noch erfahren, dass die UN-Kinderrechtskonvention vorgibt, dass die Bildung der Kinder auch darauf abzielen soll, dem Kind Achtung vor seinen Eltern zu vermitteln (Art. 29), dann geben sie ihre Vorbehalte höchst-wahrscheinlich auf.

Um einen möglichen Widerstand oder ein mögliches Unbehagen von Eltern aufzuweichen, gilt es also, ihnen Aus- oder Einblicke zu ermöglichen. Somit ist es sinnvoll, die Eltern immer mit einzubeziehen, wenn mit Kindern zu ihren Rechten gearbeitet wird. Dies kann in Form einer Infoveranstaltung zu einem beliebigen Zeitpunkt der Projektarbeit mit den Kindern geschehen. Besonders empfehlenswert ist eine Abschlussveranstaltung mit einer Präsentation der Ergebnisse der Projekte. So können alle sehen, dass Kinderrechte Kindern guttun.

Kinderschutz durch Kinderrechte

Kinder, die ihre Rechte kennen, haben damit eine weitere Ressource, die ihr Selbstbewusstsein und ihre Selbstwirksamkeitsüberzeugung stärken kann. Wenn Kinder die Erfahrung machen, dass Erwachsene ihrer Kritik und ihren Veränderungswünschen offen gegenüberstehen, diese ernst nehmen und im Rahmen der Möglichkeiten umsetzen, ist es sehr wahrscheinlich, dass sich diese Kinder leichter Hilfe und Unterstützung bei Erwachsenen holen, wenn sie sich in schwierigen Situationen und Notlagen befinden, oder wenn sie sexuellen Übergriffen ausgesetzt sind.

Kinder, die ihre Rechte kennen, sind weniger leicht zu beeinflussen. Sie können selbstbewusst Nein sagen, sie können ihr Recht fordern und wissen, dass sie dazu berechtigt sind. Kinder werden über die Auseinandersetzung mit ihren Rechten unterstützt, ihre Grenzen zu wahren und zu schützen.

Es ist zudem davon auszugehen, dass Kinder, die in ihrer Lebenswelt Beteiligung und wirkungsvolle Mitsprachemöglichkeiten erleben, ihre Interessen und Bedürfnisse nicht mit Gewalt durchsetzen müssen. Das kann dafür sorgen, dass diese Kinder Gewalt nicht als Lösungsstrategie erlernen und in ihr Handlungsrepertoire aufnehmen.

Projekt »Kinderrechte und Prävention von Gewalt«

Unter dem Titel »Kinderrechte und Prävention von (sexualisierter) Gewalt« führt der Deutsche Kinderschutzbund Landesverband NRW e.V. aktuell ein Präventionsprojekt mit ausgewählten Kitas und Familienzentren durch. Fachkräfte erhalten im Rahmen des Projektes Informationen zu den Rechten des Kindes, sexualisierter Gewalt sowie Methoden für die Umsetzung in der Arbeit mit den Kindern und Eltern. Ziel des Projektes ist die Erstellung eines Curriculums für eine modulare Schulung zum Thema. Diese Schulung kann ab Mitte 2020 von der Bildungsakademie BiS Wuppertal und anderen Bildungsträgern angeboten werden, auch als Inhouse-Schulung. Somit haben interessierte Kitas die Möglichkeit, über das Projekt hinaus ihre Fachkräfte zum Thema zu qualifizieren.

Fazit

Die pädagogische Arbeit zu Kinderrechten hat ihren festen Platz in der Kita und ist Teil des präventiven Kinderschutzes. Die Kenntnis der Kinderrechte allein reicht jedoch nicht, Kinderrechte müssen im Alltag der Kita für alle erfahrbar sein. Viele Träger haben Materialien zur Umsetzung von Kinderrechten in der Kita veröffentlicht. Neben Ideen und Konzepten braucht der Kinderschutz in der Kita vor allem Fachkräfte, die auch im fordernden Arbeitsalltag immer einen aufmerksamen Blick für die Kinder bewahren.

Hinweis:

Weitere Informationen bekommen Sie auf dieser Website: www.kinderschutz-in-nrw.de

Hier können Sie sich auch die komplette Arbeitshilfe »Kinderschutz und Kinderrechte« herunterladen.