Wir starten in den Tag. Frühstücken, noch einen letzten Schluck Kaffee, dann die Zähne putzen und los geht es. Eine morgendliche Routine, die selbstverständlich ist und wenig hinterfragt wird. Routiniertes Zähneputzen nach dem Essen ist das Normalste der Welt, könnte man meinen –, aber für einige Kinder ist es das genau nicht. Zu Hause haben sie nicht alle selbstverständlich eine eigene Zahnbürste und auch ihre Zähne werden nicht täglich geputzt bzw. nachgeputzt.
Wie problematisch diese Situation werden kann, ist im Mund an kariösen bzw. schmerzhaften Zähnen und am veränderten Verhalten der Kinder zu sehen. Oft sind sie dann über den Tag quengeliger, können nachts nicht gut durchschlafen und auch das Essen macht keine Freude mehr. Das ist kein Wunder – denn alle, die schon einmal Zahnschmerzen hatten wissen, wie schmerzhaft und quälend diese sein können.
Die frühkindliche Karies tritt bereits kurz nach dem Zahndurchbruch auf und schreitet rasch voran (Treuner & Splieth 2013). Sie gehört zu den häufigsten chronischen Erkrankungen bei Kindern im Vorschulalter. In den ersten 3 Lebensjahren sind in etwa die Hälfte der kariösen Defekte entstanden, die zur Einschulung festgestellt werden (Eßer & Oesterreich 2016: 6–7).
Ohne Prävention und Gesundheitsförderung klappt es nicht
Nicht alle Kinder bekommen zu Hause die gleiche Fürsorge. Wachsen Kinder nicht in einem entwicklungsförderlichen Umfeld auf, benötigen Sie mehr Unterstützungsbedarf.
Wie können wir auch bei ihnen die Zahnbürste in den Mund zaubern?
Magie gibt es nicht, das ist uns klar.
Die Umwelt und andere Faktoren, wie zum Beispiel Arbeitslosigkeit oder niedriges Einkommen, haben starken Einfluss auf die Lebensverhältnisse der Familien. Diese können sich auch auf die Gesundheit der Kinder auswirken (WHO 1999: 256).
Spezifische Konzepte zur Förderung und zum Erhalt der Gesundheit, somit auch der Zahngesundheit, sind unentbehrlich. Diese sind insbesondere auf die Orte ausgerichtet, in denen Menschen aufwachsen und sich tagtäglich aufhalten und die zugleich starken Einfluss auf die Gesundheit ausüben sowie diesbezügliche Gestaltungsmöglichkeiten bieten (WHO 1999: 117).
Der Lebensbereich Kita steht deswegen im Fokus. Kinder verbringen dort sehr viel Zeit. Demzufolge ist die Zahngesundheitserziehung von Kindern im besonderen Maß auch an die Kindertagesstätte geknüpft. Das tägliche Zähneputzen steht unter anderem im Mittelpunkt.
Damit gesundheitsförderliche Strukturen in Kitas gestärkt bzw. weiterentwickelt werden, ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Akteuren in der Prävention und Gesundheitsförderung notwendig. Zudem sollten alle Beteiligten, die sich in der Kita regelmäßig aufhalten, einbezogen werden. Neben den Kindern und Erzieherinnen und Erziehern sind das alle Personen, die bei den jeweiligen Kindern Erziehungsaufgaben wahrnehmen (LVGAFS 2015: 12).
Das Einbinden der Eltern ist ein wichtiger Aspekt. Diese können zum Beispiel auf Unterstützungs- und Beratungsangebote hingewiesen werden. Gespräche, Elternabende und zahlreiche Beratungsstellen bieten Möglichkeiten zum Austausch. Die zahnärztlichen Vorsorgeuntersuchungen bzw. Früherkennungsuntersuchungen für die Kinder sollten grundsätzlich in Anspruch genommen werden. Auch hier können wir aufklärend unterstützen, sodass der regelmäßige Weg in die Zahnarztpraxis als absolut notwendig verstanden wird. Zusammenfassend gesagt ist es wichtig, dass alle Kinder im Rahmen der Chancengleichheit zahngesund groß werden können.
Zähneputzen – Prävention in der Kita
In den Lebenswelten der Kinder können sanft und beherzt Hilfestellungen für ein zahngesundes Aufwachsen gegeben werden.
Speziell haben die Kindertagesstätten die Möglichkeit dieses zu ermöglichen und zu unterstützen. Einige Einrichtungen bieten bereits tägliches Zähneputzen an. In Schleswig-Holstein können diese Einrichtungen vom Landesausschuss zur Förderung der Jugendzahnpflege in Schleswig-Holstein e.V. seit 2014 mit der »Wir Putzen Zähne«-Plakette ausgezeichnet werden.
Erzieherinnen und Erzieher haben eine besondere und einzigartige Schlüsselfunktion. Sie wirken als Verhaltensmodelle und stärken durch Lob und vorbildliches Tun in erster Linie die Kinder, die im Elternhaus keine gesundheitsförderlichen Verhaltensmodelle kennenlernen (DAJ 2016: 11).
Durch vertrauensvolle und bekräftigende Worte zum Kind, kann dieses dazu motiviert werden die erste Hürde »der Skepsis vor Unbekanntem, das in den Mund kommt« zu überwinden. Sie können helfen, den regelmäßigen Kontakt mit der Zahnbürste zu ermöglichen, denn nicht jedes Kind kann zu Hause regelmäßig die Zähne putzen. Durch tägliches Üben und liebevolles Ermutigen können Kinder an die Benutzung der Zahnbürste gewöhnt werden. Im Vordergrund steht, dass das Zähneputzen für Kinder ein festes Ritual in ihrem Alltag wird.
Der Kern des Zähneputzens in der Gruppe in der Kita besteht darin, dass Kinder die Welt der Zähne entdecken können und die Ritualisierung des Zähneputzens erfolgen kann. Abgucken und Nachmachen sind hier erlaubt und sogar erwünscht! Kleine Kinder benötigen Begleitung. Ältere Kinder können zudem ein systematisches Zähneputzen erlernen. Dennoch können Sie die Zähne noch nicht alleine sauber putzen, deswegen sollen Eltern etwa bis zum 8. Geburtstag nachputzen. Begonnen wird frühzeitig, ab dem Durchbruch des ersten Milchzahns (DAJ 2016: 10–11).
Teamarbeit für gesunde Zähne – Gruppenprophylaxe in der Kita
Erzieherinnen und Erzieher spielen auch bei der Anwesenheit des Gruppenprophylaxe-Teams in der Kita eine wichtige Rolle. Die zahnmedizinische Gruppenprophylaxe fördert die Zahngesundheit durch verschiedene Angebote vor Ort.
Besonders unter 3-Jährige suchen emotionale Sicherheit und Geborgenheit bei der Bezugsperson, das sind Ihre Eltern sowie Erzieherinnen und Erzieher. Diese sind Ihre Vertrauenspersonen und Vorbilder. Von besonderem Wert ist es deshalb, dass die Kleinkinder ihre Bezugsperson während der Bildungsimpulse sehen, spüren und hören können.
Zahnputztechnikübungen sind für Kleinkinder überfordernd. Sie lernen stattdessen über Modelle, positive Emotionen, Entdecken und Ausprobieren (DAJ 2016:12–13).
Eine Zahnbürste ist spannend und fühlt sich toll an! Nicht die Zahnputztechnik steht also bei Kleinkindern im Vordergrund, sondern das Ritual.
Ältere Kinder starten mit dem Erlernen einer systematischen Zahnputztechnik. Im Rahmen der KAI-Systematik werden zum Beispiel erst die Kauflächen der Zähne gesäubert, dann die Außen- und Innenflächen (DAJ 2016:11).
Nach den Empfehlungen der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege für die Kita, sollen alle Kinder einer Einrichtung täglich nach einer der Hauptmahlzeiten gemeinsam mit ihrer Erzieherin oder ihrem Erzieher die Zähne putzen (DAJ 2016:11).
Genauere Ausführungen zum Thema für unter 3-Jährige sind in den Kernbotschaften der DAJ für die Kita zu finden.
»Saubere Zähne sind wichtig«
Mit dieser Einstellung können wir Kindern einen Weg in ein gesundes Leben ermöglichen. Frühzeitig sollen die Kleinen an die Mund- und Zahnpflege herangeführt werden.
Die Milchzähne im Kindermund sind äußert wichtig für das Kauen, für die Sprachbildung, die Zungenmotorik, für die Entwicklung des Kiefer-Gesichtsbereichs. Sie sind Platzhalter für die großen bleibenden Zähne.
Tatsächlich wirkt sich das Wohl unserer Zähne bedeutend auf unsere Gesundheit aus. Mangelnde Mundhygiene begünstigt im weiteren Leben nicht nur die Entstehung von Karies, sondern auch die von Parodontitis, einer chronischen Entzündung des Zahnhalteapparates. Diese Entzündung ist scheinbar ein potenzieller Risikofaktor für Diabetes mellitus und Herzkreislauferkrankungen und spielt eine Rolle bei der Entwicklung von Entzündungen der Herzinnenhaut (Endokarditis) und bei wiederholender Lungenentzündung bei älteren Menschen (Dörfer et al. 2017: 14–18).
Auch bei Kindern sind die Folge von unzureichender Mundhygiene die Entstehung von Karies und/oder Entzündungen des Zahnfleisches.
Das Gefühl für eine gute Mundhygiene ist nicht angeboren. Umso wichtiger ist es, dass frühzeitig mit präventiven Maßnahmen zur Zahngesundheit die Zähne vor Karies geschützt werden.
Zusätzlich kann geholfen werden, den Schnuller bis spätestens zum zweiten Geburtstag zu entwöhnen. Dieser ist zwar dem Lutschen am Daumen vorzuziehen, sorgt aber ab einem gewissen Alter für Zahnfehlstellungen und Probleme bei der Kieferentwicklung (DAJ 2016: 10).
Ist das gesund?
Eine ausgewogene und zahngesunde Ernährung ist von hohem Wert. Der sehr häufige Verzehr von saurer und zuckerhaltiger Nahrung sollte vermieden werden (KZBV, BZÄK (2016): 32).
Kauen von Nahrung fördert zudem die Entwicklung der Kaumuskulatur und Zungenmotorik.
»Quetschies« sind keine frische und »kauaktive« Nahrung. Sie enthalten einen zuckerhaltigen Obstpüree und können zum dauerhaften Nuckeln verleiten (vgl. BZfE 2019). Dieses ist für Zähne gefährlich.
Kinder mögen auch gerne einen Löffel zum Essen benutzen, wie ihre Vorbilder in der Kita und zu Hause.
Es wird zudem immer wieder betont, dass Kinder bereits ab circa 1 Jahr aus ihrem eigenen Becher trinken können. Trinklerngefäße mit einem Saugaufsatz sind nicht zu empfehlen weil Sie zum ständigen Saugen und Nuckeln von süßen Getränken verleiten (DAJ 2016: 10–11).
Weil Bakterien übertragen werden, ist es wichtig, dass jedes Kind sein eigenes Besteck und seinen eigenen Becher erhält.
Natürlich müssen die Zähne zusätzlich geputzt werden.
Fazit
In den Lebenswelten der Kinder müssen frühzeitig effektive Maßnahmen zur Prävention und Förderung der Zahngesundheit fest verankert werden, besonders auch bei den Kindern mit mehr Unterstützungsbedarf. Das tägliche Zähneputzen in den Kindertagestätten und die Gewöhnung an gesundheitsförderliches Verhalten sind von großer Wichtigkeit. Nur im Zusammenspiel können wir helfen. Der Blick in ein lachendes, schmerzfreies Kindergesicht ist auch der Dank für unser Tun!
Literatur
Eßer, Wolfgang, Oesterreich, Dietmar (2016): Vorwort. In: Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung, Bundeszahnärztekammer (Hg.): Frühkindliche Karies vermeiden. Praktischer Ratgeber für die zahnärztliche Praxis. Berlin, S. 6–7.
Treuner, Anja, Splieth, Christian (2013): Frühkindliche Karies-Fakten und Prävention, zm-online. URL: https://www.zm-online.de/archiv/2013/17/zahnmedizin/fruehkindliche-karies-fakten-und-praevention/ [Stand: 30.08.2019].
KZBV/ BZÄK (Hg.) (2016): Frühkindliche Karies vermeiden. Praktischer Ratgeber für die zahnärztliche Praxis. URL: https://www.kzbv.de/ecc-broschuere-web.download.8d0b421584da521ef548d00854261f9a.pdf [21.08.2019]. [Stand: 30.08.2019].
WHO (1999): Gesundheit 21 Das Rahmenkonzept »Gesundheit für alle« für die Europäische Region der WHO. URL: http://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0009/109287/wa540ga199heger.pdf [Stand: 30.08.2019].
Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen e.V. (LVGAFS Niedersachsen e.V.), Richter-Kornweitz, Antje, Altgeld, Thomas (2015): GESUNDE KITA FÜR ALLE!. URL: https://www.gesundheit-nds.de/CMS/images/stories/PDFs/Leitfaden_Gesunde_Kita_fuer_alle_web.pdf [Stand: 30.08.2019].
Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege e.V.(DAJ) (2016): Frühkindliche Karies: zentrale Inhalte der Gruppenprophylaxe für unter 3-Jährige Kinder DAJ. URL: https://www.daj.de/fileadmin/user_upload/PDF_Downloads/PM_Empfehlungen_Expertise_2016/Longversion_DAJ_Empf_Expertise_2016.pdf [Stand: 30.08.2019].
Dörfer, Christof, Benz, Christoph, Aida Jun et al.: The relationship of oral health with general health and NCDs: a brief review, International Dental Journal 2017, 67: 14–18.
BZfE (2019): Quetschie für Babys und Kleinkinder Praktisch aber keine gute Idee. URL: https://www.bzfe.de/inhalt/quetschies-fuer-babys-und-kleinkinder-33926.html [Stand: 30.08.2019].