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Sich als Kita-Leitung qualifizieren – den Herausforderungen gewachsen

Die Leitungstätigkeit in Kitas stellt vielfältige und komplexe Anforderungen. Es existieren bislang erst vereinzelte Konzepte der Vorbereitung auf bzw. der Begleitung der Leitungstätigkeit in der Praxis. Befunde aus einer Gruppendiskussion mit Leitungskräften ergeben, dass diese in der Teamarbeit die größte Herausforderung sehen. Leitungskräfte wünschen sich berufsbegleitende Qualifizierungsmaßnahmen, die aktuelle Erkenntnisse in Input-Praxis-Reflexionen und heterogenen Qualifizierungsteams beinhalten.

Nehmen Sie die Herausforderungen an

Nehmen Sie die Herausforderungen an

Kindertageseinrichtungen stellen Angebote der Bildung, Betreuung und Erziehung zur Verfügung. Kernaufgabe ist es, die Kinder in ihrer Entwicklung zu begleiten und zu fördern (BMFSFJ, 2003). Die pädagogischen Fachkräfte stellen Kindern Bildungs- und Lerngelegenheiten zur Verfügung, die eine aktive Auseinandersetzung mit der Umwelt ermöglichen. Im Zuge dieser institutionellen Lernprozesse eignen sich die Kinder auf ihrem Weg zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit u.a. soziale, kognitive und motorische Kompetenzen an und entwickeln diese weiter (§ 1 SGB VIII).

Welche Bedeutung hat die Leitung für die Qualität in der Kita?

Eine wesentliche Rolle für eine erfolgreiche Entwicklung der Kinder spielt die Qualifikation des Personals. Sie ist ein zentraler Aspekt der Strukturqualität und beeinflusst die Qualität pädagogischer Interaktionen positiv (vgl. Resa et al., 2016, S. 24; König, 2009). Diese Interaktionen zwischen den Fachkräften untereinander oder mit den Eltern beeinflussen die Lernatmosphäre in den Einrichtungen und die Zusammenarbeit im Team, z.B. die Verteilung der Verantwortlichkeiten (vgl. Larrá, 2005, S. 240).

Forschungsergebnisse aus England verweisen auf einen positiven Zusammenhang zwischen der Qualifikation der Leitungsperson und der beobachteten Prozessqualität in den Einrichtungen. Aspekte wie Teammotivation oder das Anregen von Visionen werden als essentiell für die Weiterentwicklung der Professionalität und der Organisationsentwicklung identifiziert (Mathers et al., 2007; Melhuish et al., 2010).

Was zeichnet erfolgreiches Leitungshandeln aus?

Der professionelle Austausch in den Teams mit einem gelungenen Wissenstransfer hat eine positive Auswirkung auf die Qualitätsentwicklung, beispielsweise im Bereich der Sprachförderung (vgl. Anders et al., 2015) oder im Bereich (multiprofessionelle) Teamentwicklung (vgl. Weltzien, 2016), wobei Kita-Leitungen auch hierbei eine Schlüsselposition einnehmen.

Ihre Aufgabe ist es, Prozesse dieser Art in den Einrichtungen anzustoßen und zu implementieren. Die Rolle einer Managerin genügt dabei nicht. Notwendig ist es, aktiv die Rolle einer pädagogischen Leitung zu übernehmen. Zudem bedarf es eines spezifischen Führungsbegriffs, der über Managementtechniken hinausgeht und der Beschaffenheit des Feldes gerecht wird (u.a. Ballaschk & Anders, 2015, S. 892).

Nach der ELEYS-Studie sind folgende drei zentralen Erkenntnisse bezüglich der Anforderungen und Merkmale eines »leadership for learning« in den Einrichtungen notwendig (vgl. Siraj-Blatchford & Manni, 2007, S. 12 zitiert nach Siraj-Blatchford & Hallet, 2014, S. 30): ein Verständnis für die Besonderheit der Einrichtung und deren Gemeinschaft (»contextual literacy«), das Gebundensein an eine engagierte Zusammenarbeit sowie die (Selbst-)Verpflichtung, kindliches Lernen und kindliche Entwicklung zu fördern.

Auf dieser Basis werden Führungsstrategien für erfolgreiche Kita-Leitungen abgeleitet (siehe Abb. 1).

Welchen Herausforderungen sind Leitungskräfte ausgesetzt?

Leitungskräfte in Kitas sind zahlreichen Herausforderungen ausgesetzt. So fallen etwa zeitliche Ressourcen für die Leitungstätigkeit im Verhältnis zu der Fülle an Leitungsaufgaben zu gering aus (vgl. Beher et al., 2017, S. 93 f.; Nagel-Prinz & Paulus, 2012, S. 130; Kaltenbach, 2008, S. 125). Es verwundert kaum, dass in der bundesweiten AQUA-Studie 56% der befragten Kita-Leitungen (N = 1.556) angeben, dass sie »oft« oder »immer« im Gruppendienst arbeiten anstatt Leitungsaufgaben zu erfüllen (vgl. Schreyer et al., 2014, S. 48). Kita-Leitungen, die zusätzlich Gruppendienst leisten, geraten damit in mehrere Rollenkonflikte: Gegenüber ihren Mitarbeiter/innen nehmen sie mal die Rolle der Kollegin und mal die Rolle der Vorgesetzten ein, gegenüber den Eltern treten sie mal als Bezugsperson des Kindes und mal als Einrichtungsleitung auf. Leitungskräfte sind widersprüchlichen Erwartungen seitens des Teams, der Eltern und des Trägers ausgesetzt (Strehmel, 2016).

Kita-Leitungen geben als größten Belastungsfaktor den Mangel an pädagogischen Mitarbeiter/innen bzw. die knappen Personalressourcen an (Kaltenbach, 2008, S. 124 f.) sowie den hohen Anteil an Teilzeitbeschäftigung (60%; vgl. Beher et al., 2017, S. 108). Darüber hinaus verweisen über die Hälfte der befragten Leitungskräfte der AQUA-Studie darauf, dass sie pädagogische Fachkräfte eingestellt haben, die nicht ihren Vorstellungen entsprechen (Schreyer et al., 2014, S. 47).

Eine weitere Herausforderung zeigt sich in der zunehmenden Heterogenität der Teams. Zwischen 2007 und 2016 haben sich die Anteile der »reinen« Erzieher-Teams bzw. der traditionellen Teams (Erzieher/innen, Kinderpfleger/innen) um 18% verringert, während die qualifikationsheterogeneren Teamtypen (gemischte, akademisch oder heilpädagogisch erweiterte Teams) um 6% zunahmen (vgl. Beher et al., 2017, S. 74).

Auch die Rolle der Träger ist bedeutsam: Fachlich kompetente und erreichbare Träger können für die Leitungen einen Schutz- und Entlastungsfaktor darstellen (vgl. Nentwig-Gesemann, Nicolai & Köhler, 2016, S. 76). Dies ist der Fall, wenn Träger ihre Leitungen etwa mit konkreten Angeboten (z.B. Fortbildungen, Entlastungen von administrativen Aufgaben) unterstützen, sie fördern und ihnen Entscheidungs- und Gestaltungsräume zugestehen. Ein Träger wird andererseits als Belastungsfaktor empfunden, wenn er weder als fachlich kompetent noch als präsent wahrgenommen wird und zusätzliche Anforderungen gegenüber den Kita-Leitungen formuliert.

Das deutsche System der Kindertagesbetreuung weist eine enorm heterogene Trägerlandschaft auf mit einem hohen Anteil an ehrenamtlich geführten gemeinnützigen Organisationen. Gerade angesichts der großen Anzahl an Laien in der Trägerverantwortung, von denen keine hohe Fach- und Feldkompetenz erwartet werden kann, wird empfohlen, die Qualifizierung der Leitungskräfte in Kindertagesstätten verstärkt auszubauen (Strehmel & Overmann, 2018, S. 124).

Welche Konsequenzen ergeben sich für (künftige) Leitungsqualifizierungen?

Um die beschriebenen Herausforderungen ausbalancieren zu können, benötigen Leitungskräfte eine hohe Ambiguitätstoleranz, die Fähigkeit zur Selbstreflexion und zum Selbst-Management (vgl. Strehmel, 2016). Aus der Sicht von Kita-Leitungen und pädagogischen Fachkräften ist es aber kaum möglich, auf ein gesichertes handlungsleitendes Wissen zurückzugreifen – vielmehr müssen immer wieder neue Wege gefunden werden, dieses Handlungsfeld professionell auszufüllen (vgl. Viernickel et al., 2013, S. 134).

Neben der Notwendigkeit einer sehr guten Ausbildung für die Schlüsselposition der Einrichtungsleitung sollen die Fort- und Weiterbildungsangebote umfassend sein und bspw. Angebote zur Selbstreflexion sowie zur strategischen Weiterentwicklung der eigenen Einrichtung bereithalten (vgl. Strehmel & Ulber, 2014, S. 70). Es ist auch bedeutsam, ihre Fachlichkeit zu stärken und gleichzeitig aktuelle Themen, wie z.B. die Bindung des Personals aufgrund des Fachkräftemangels, aufzugreifen. Darüber hinaus wird empfohlen, die Komplexität der Leitungsbereiche und deren Interaktionen zu berücksichtigen und schließlich Formate und Inhalte der Qualifizierungsmaßnahmen zu finden, die geeignet sind, den Transfer in die Praxis zu unterstützen und abzusichern.

Wie nehmen Leitungskräfte die aktuellen Herausforderungen wahr?

Im Frühjahr 2018 wurden sechs erfahrene Kita-Leiter/innen in einer 1,5-stündigen Gruppendiskussion1 dazu befragt, welche zentralen Aufgaben Leitungskräfte haben, welche davon ihren beruflichen Alltag besonders bestimmen und welche ihnen besonders liegen. Darüber hinaus diskutierten die Befragten, welche Aspekte bisheriger Leitungsqualifizierungen sie als besonders relevant erachten und welche Kennzeichen und Methoden gelungene Leitungsfortbildungsformate (künftig) aufweisen sollten.

Eine qualitative Inhaltsanalyse erbrachte folgende Hauptaufgaben für die Leitungstätigkeit aus der Sicht der Kita-Leitungen: die Teamentwicklung (»die Kollegen zu beobachten, wo sind jetzt die Stärken, wo gebe ich jetzt wem welche Aufgabe, dass es gut aufgeteilt und dass der Arbeitsplatz interessant bleibt. Also dass man die Leute dann auch halten kann«, P4, Z79) sowie die Mitarbeiterführung »[…] für die größte Herausforderung oder der größte Teil auch meiner Leitungstätigkeit ist einfach […] Mitarbeiterführung. Das ist also […] das eigentlich. Da bleibt für was anders kaum, kaum Zeit« (P2, Z36). Als Belastungsfaktoren wurden der als zu gering empfundene Umfang der zeitlichen Ressourcen für Leitungsaufgaben benannt und die Herausforderungen der Teamführung u.a. der multiprofessionellen Teams. Die Vernetzung und der kollegiale Austausch auf Leitungsebene werden dagegen als Ressourcen hervorgehoben.

Als bedeutsame Merkmale bisheriger Leitungsqualifizierungen wurden die Relevanz und Aktualität von Inhalten und Themen betont sowie die Bedeutung eines ausreichenden zeitlichen Umfangs. Für künftige Leitungsfortbildung erachten die Befragten schließlich folgende Punkte als wesentlich: die Kombination von Input-Praxis-Reflexion, die gleichzeitige Teilnahme von Leitungskraft und Stellvertretung und die Heterogenität der Beteiligten bei gleichzeitiger Konstanz der Teilnehmergruppe über einen längeren Zeitraum.

Fazit

Die Anforderungen an die Leitungstätigkeit in Kitas sind in den letzten Jahren stark gewachsen. U.a. der Wandel der familialen Lebenslagen bedeutet für Kita-Leitungen einen enormen Zuwachs an Herausforderungen, zum einen bezogen auf die zeitliche Bewältigung und zum anderen hinsichtlich der Erweiterung ihrer Verantwortungs- und Zuständigkeitsbereiche. Damit Leitungskräfte diesen Änderungen gewachsen sind, werden berufsbegleitende Qualifizierungsmaßnahmen empfohlen, die sie unterstützen, ihre Leitungsstätigkeit im Sinnes eines »leadership for learning« (weiter) auszugestalten.

Literatur

Die verwendete Literatur kann bei der Redaktion der KiTa aktuell erfragt werden: redaktion@kita-aktuell.de.

Fußnoten


Die Gruppendiskussion wurde im Rahmen des Entwicklungsprojektes LeiQplus durchgeführt, das die Pädagogische Hochschule Weingarten in Kooperation mit der Johanniter-Unfall-Hilfe e.V. und finanziert durch die Robert Bosch Stiftung seit 2018 durchführt.