Eltern und Erzieher/innen verbindet die Motivation, Kinder durch die Entwicklung zentraler Kompetenzen, durch erhellende Erfahrungen und vor allem mit viel Selbstbewusstsein auf die Welt vorzubereiten. Es geht darum, verschiedene Lebenswelten zu erforschen, Musik zu erleben, ein Puppentheater zu besuchen und mit vielen unterschiedlichen Materialien zu arbeiten. Die Bildungsarbeit in Kindergärten wird dabei zunehmend von der Herausforderung geprägt, eine »Balance herzustellen« (vgl. Bostelmann 2016) aus Erstaunen und Verarbeiten, um die Erfahrungen nicht als Einprasseln von Eindrücken, sondern als authentische und bewusste Erfahrungen zu gestalten. Eine solche Herausforderung zu realisieren, bedeutet für die Kita-Mitarbeitenden die Identifikation der Herausforderung, die Organisation des Erlebnisses und die sensible und zeitintensive Reflexion des »erlebnispädagogischen« Events (vgl. Michl 2015, S. 11). Bei der Vorbereitung und der Durchführung solcher erlebnisorientierten Events, die keine Ausnahme, sondern der Regelfall sein sollten, benötigen Erzieher/innen tatkräftige Unterstützung. Hier kommen neben Praktikanten und Praktikantinnen aus der Schule und FSJ’lern vor allem die Eltern ins Spiel: Sie haben eine intrinsische Motivation an der idealen Umsetzung des Bildungsauftrages – sie möchten die Erlebnisschätze für ihre Kinder heben!
Doch neben der zeitlichen Ressource als potenzielle Ehrenamtliche tragen Eltern noch ein weiteres hohes Potenzial in sich, das es im Sinne der Koproduktion zu nutzen gilt: Sie sind authentische Vertreter/innen einer für die Kinder fremden Lebenswelt. Eltern sind Postboten/innen, Polizeibeamte/innen, Forscher/innen, Schriftsteller/innen und Bäcker/innen. All das gilt es zu entdecken und zu reflektieren. Wie kommt ein Brief an den richtigen Ort? Sind Forscher/innen immer mit dem Schiff unterwegs? Wie backe ich ein Brötchen? Wir können selbst ein Postsystem in der Kita entwickeln. Wir können selbst forschen, schreiben und ein Brot backen – hierfür benötigen wir nur die Inspiration der wirklichen Welt. Diese kann durch die Einbindung ehrenamtlich Engagierter in die Kita geholt werden. Denn dann kann bei Kindern auch das entstehen, was Ken Robinson als genauso wichtig wie Lesen und Schreiben betrachtet: Kreativität (vgl. Robinson 2006). Indem Erzieher/innen den Weg aus der Kita finden oder interessante Menschen in die Kita holen und durch ein Ineinandergreifen dieser Welten für eine anregende Atmosphäre sorgen, haben sie bereits den Grundstein gelegt: »Ein zentraler Weg zu Kreativität ist der kommunikative Austausch mit anderen Menschen« (Bornemann 2018, S. 628).
Fassen wir zusammen: Ob der Tagesausflug mit den Kita-Kids, das ambitionierte Bildungsprojekt oder die Exkursion in die Bäckerei eines Elternteils – überall kann das Engagement Freiwilliger nicht nur die operative Umsetzung, sondern im Sinne der Koproduktion vor allem auch eine authentische und intensivere Erfahrung der Kinder ermöglichen. Viele dieser Projekte wären ohne ehrenamtliche Hilfe kaum leistbar. Die Kooperation ehrenamtlich Engagierter mit Erziehern/innen und Sozialpädagogen/innen stellt ein hohes Potenzial für eine gelingende Kita dar. Schafft es ein Kindergarten, ein Netzwerk aus Helferinnen und Helfern zu knüpfen, dann können gemeinsame innovative und kreative Projekte auf die Beine gestellt werden.
Motivation der Freiwilligen: Glück der Kinder und …
Im Freiwilligensurvey des Bundesfamilienministeriums werden seit 1999 Daten und Fakten der Freiwilligenarbeit erhoben und dargestellt. Der Survey 2018 stellt fest, dass der Engagementbereich »Schule und Kindergarten« von 5,9% im Jahr 1999 auf 9,1% im Jahr 2014 besonders deutlich zugenommen hat. Die Einbindung freiwillig Engagierter ist also keine Ausnahme mehr, sondern eine noch weiter zu kultivierende Chance für die Bildungsarbeit. Die Mitwirkung Freiwilliger an der Kita bezieht sich natürlich nicht nur auf die oben skizzierte »Projektpartnerschaft«, sondern auch auf die Bereiche Elternvertretung, Selbstorganisation (z.B. ehrenamtliche Trägerschaft) sowie auf die Nutzung der Kitaräumlichkeiten als Nachbarschafts- oder Hilfezentrum.
Das Institut für Soziale und Kulturelle Arbeit attestiert jedoch: »Bisher lässt sich allerdings feststellen, dass (noch) nicht die Kitas die Freiwilligen entdecken, sondern die Freiwilligen entdecken die Kitas« (vgl. Institut für Soziale und Kulturelle Arbeit 2005). Folgt man zuvor gestellter These, dass sich die zur Förderung der Kreativität von Kindern so essenziellen Erfahrungen in Kitas erfolgreich durch die Einbindung von Ehrenamtlichen schaffen lassen, und verbindet dies mit der Erkenntnis, dass im Bereich bürgerschaftlichen Engagements in Kitas gleichzeitig ein noch größeres Potenzial steckt, stellt sich die Frage, wie sich ehrenamtliche Ressourcen mobilisieren lassen. Somit ist zunächst die Frage nach der Motivation von Ehrenamtlichen zu stellen. Eine verlässliche Quelle zur Motivation von Freiwilligen für deren bürgerschaftliches Engagement stellt der aktuellste Freiwilligensurvey dar (vgl. Abb. 1).
Neben den offensichtlichen Motivatoren, spielt auch der Aspekt »die Gesellschaft mitzugestalten« in Kitas eine wesentliche Rolle, geht es hierbei nicht (nur) um die großen Fragen in den Bereichen Naturschutz, Energiegewinnung und Mobilität, sondern vielmehr um die zukünftigen Mitglieder unserer Gesellschaft. Viele Freiwillige betrachten zudem den Punkt »das Leben an ihrem Wohnort attraktiver zu machen« (Haumann 2014, S. 3) als eine altruistische Motivationsquelle. Hinzu kommt auch, wie die gleiche Allensbach-Befragung ergab, die Motivation der Freiwilligen, »den eigenen Interessen und Neigungen nachzugehen« (ebd.). Freiwilligendienste müssen von Beteiligten als kompetente und gleichwertige soziale Arbeit aufgefasst und entsprechend gewürdigt werden.
Der Job von Kitas und Erziehern/innen ist es demnach, ein Projektdesign zu gestalten, das allen Beteiligten Spaß an Bildung verschafft und Möglichkeiten zur aktiven Mitbestimmung und Schwerpunktlegung gewährleistet. Ehrenamtliche nehmen sich dann gerne freie Zeit und sind mit Energie, Leidenschaft und vor allem Verlässlichkeit bei der Sache. Des Weiteren stellt sich nun die Frage nach dem notwendigen professionellen Management und Rahmen, um freiwilliges Engagement zu ermöglichen und das vom Institut für Soziale und Kulturelle Arbeit attestierte Potenzial zu nutzen.
Kluges Freiwilligenmanagement
Ein Großteil der Zusammenarbeit zwischen Kinderbetreuungseinrichtungen und freiwillig Engagierten fußt häufig auf persönlichen Kontakten. Doch damit geben wir in diesem wichtigen Bereich der Leistungspotenziale von Kitas das Heft des Handelns aus der Hand. Zur systematischen Integration bürgerschaftlichen Engagements in die Bildungsarbeit der Kitas bedarf es eines klugen Freiwilligenmanagements. Ziel eines solchen planvollen Vorgehens ist die »Entwicklung und Sicherung von nachhaltig förderlichen, engagementfreundlichen Rahmenbedingungen in einer Organisation« (Hartnuß 2019, S. 93). Die Aufgaben eines solchen Managements lassen sich anhand der vier Phasen von Engagement strukturieren: Gewinnung, Qualifizierung, Begleitung sowie Offboarding von Freiwilligen. Aufgabe der (sozialpädagogischen) Fachkräfte ist das Schaffen professioneller Strukturen in diesen Bereichen, welche auf einer genauen Vorbereitung (Bedarfsabschätzung, Einsatzorte) und Ressourcenkalkulation (Personalzuordnung, Materialien, finanzielle Mittel) aufbauen und welche das Gelingen von bürgerschaftlichem Engagement und somit der beschriebenen Ko-Produktion sicherstellen.
Bürgerschaftliches Engagement – ein menschliches Grundbedürfnis!?
Während Management und Strukturen eher die organisatorische Seite eines gelingenden Freiwilligenmanagements beschreiben, soll der operativ-emotionale Teil unter dem Begriff Führung zusammengefasst und hier nochmals gesondert behandelt werden: Zeitmangel als der in vielen Untersuchungen genannte Hauptgrund für eine nicht gelingende Arbeit mit und von Freiwilligen stellt häufig vielmehr Symptom als Ursache dar. Oft geht es weniger um die zu knappe Zeit der freiwillig Engagierten – diese sind nach gelungener Gewinnung und Qualifizierung motiviert bei der Sache –, sondern vielmehr um zu knappe Zeit der Hauptamtlichen. Neben belastbaren Strukturen ist vor allem gute Führung der entscheidende Erfolgsfaktor für eine effektive Zusammenarbeit mit Freiwilligen. Die von den Psychologen Edward L. Deci und Richard M. Ryan in den 1980er Jahren an der University of Rochester entwickelte Selbstbestimmungstheorie (vgl. Deci/Ryan 1987) stellt eine Erweiterung der reinen Dichotomie aus extrinsischer und intrinsischer Motivation dar.
Selbstbestimmungstheorie
Zu den psychologischen Grundbedürfnissen gehören die Bedürfnisse nach Kompetenzerleben, Selbstbestimmung und sozialer Eingebundenheit. Das Bedürfnis nach Kompetenzerleben zielt auf die erlebte Handlungsfähigkeit des Individuums. Hier liegt der individuelle Wunsch zugrunde, anstehenden Aufgaben und Problemen gewachsen zu sein und diese eigenständig bewältigen zu können. Ziele und Vorgehensweisen eigenen Handelns selbst bestimmen zu können äußert sich im Bedürfnis nach Selbstbestimmung. Hier geht es um die erlebte innere Übereinstimmung (vgl. Kongruenz bei Rogers) einer Person zwischen der aktuell geforderten Aufgabenstellung und dem, was die Person selbst für wichtig hält und gerne tun möchte (Zimmermann 2011, S. 82). Soziale Eingebundenheit meint das Bestreben nach befriedigenden Sozialkontakten und dem existenziellen Gefühl nach sozialer Geborgenheit (vgl. Ryan/Deci 2000).
Die begleitende Fachkraft wird deshalb im Rahmen dieses Verständnisses als »anteilnehmende und autonomieunterstützende Lernumgebung« (Deci/Ryan 1993, S. 235) aufgefasst. Im Fokus des Interesses steht deshalb auch die Förderung von konstruktiver Teamarbeit. Es sollen gemäß Rogers und Seligman Bedingungen hergestellt werden, die autonomes Handeln zulassen und im Sinne einer tatsächlichen Nachhaltigkeit Wahlmöglichkeiten, Spielräume und v.a. Ermunterung bieten (vgl. Zimmermann 2011, S. 83). Extrinsische Motivation hängt auch von beiden Bedürfnissen ab und wird von den Autoren um das Bedürfnis nach »sozialer Bezogenheit« ergänzt. Soziale Bezogenheit beinhaltet auch das Bedürfnis, in Gemeinschaft zu sein und »sinnvoll« zu agieren.
Die Selbstbestimmungstheorie weist hierbei bereits den Weg zu einer gelingenden institutionellen Rahmung freiwillig Engagierter. Verhalten wird nach Deci und Ryan umso stärker internalisiert, je kompetenter sich der/die Handelnde dabei fühlt und je selbstbestimmter er/sie dieses zeigen kann. Daher spielt die Befriedigung der drei universellen Grundbedürfnisse nach Zugehörigkeit (Hoffnung auf Anschluss), Kompetenz (Leistungsmotiv) und Autonomie (motivationale Entwicklung) eine entscheidende Rolle für die Handlungsmotivation und – in unserem Fall – für eine nachhaltige Bindung Freiwilliger an die Institution oder das Projekt.
Tatsächlich jedoch erhalten Engagierte als Folge der Unterschätzung eines konsequenten und durchdachten Freiwilligenmanagements oft zu wenig Feedback, haben keine abgegrenzten und selbstbestimmten Tätigkeitsbereiche und damit zu viel oder zu wenig Arbeit oder fühlen sich nicht »gesehen« oder eingebunden in den Gesamtablauf. Klares Erwartungsmanagement und gute Planung anhand der beschriebenen vier Phasen helfen hier ebenso wie eine Führung, die an diesen Punkten ansetzt und dadurch einen doppelten Mehrwert im Sinne wirklich freiwerdender Zeit der Hauptamtlichen schafft. Die Internationale Berufsakademie (iba) geht bei dem dualen Studium von Sozialpädagogen und Sozialpädagoginnen beispielhaft voran. Sie hat erkannt, dass zukünftige Hauptamtliche im sozialen Sektor Kernkompetenzen in der Arbeit mit und für freiwillig Engagierte benötigen und daraufhin ein Blended Learning-Modul für Freiwilligenmanagement entwickelt.
Zusammenfassend werden an dieser Stelle einige ausgewählte Impulse zur Arbeit mit freiwillig Engagierten vorgestellt:
Gewinnung
in Öffentlichkeitsarbeit Mehrwert und Sinnhaftigkeit herausstellen
Klarheit zu gewünschter Zielgruppe (W-Fragen) erhalten und deren Motivatoren ansprechen
personalbezogene und finanzielle Ressourcen einschätzen (interne Planung)
transparente Kommunikation zu Rahmen und Erwartungen inkl. Voraussetzungen
Qualifizierung
Leitlinien und Grundsätze entwickeln
Arbeits- und Verantwortungsbereiche benennen und klar abstecken
frühzeitige Orientierung vor erstem Einsatz ermöglichen (Einführung, Rundgang)
Begleitung
Infrastruktur schaffen (feste Ansprechpartner, Räume/Bereiche, Materialien)
Angebote zu Reflektion und Supervision machen, wenn möglich Weiterbildung anbieten
gelebte Wertschätzung und Anerkennung
Offboarding
klaren Prozess des Ausstieges inkl. Review und Feedback gestalten
Wissenstransfer sicherstellen
Blick auf potenzielle Ehrenamtliche
Die im Artikel vornehmlich beschriebene Gruppe der Eltern als potenzielle Ehrenamtliche ist freilich nicht die einzige Gruppe. Neben aus der Praxis bekannten erfolgreichen Projekten aus der Zusammenarbeit mit Senioreninnen und Senioren stellen natürlich auch Studierende eine relevante Gruppe möglicher Freiwilliger dar, nicht nur wenn ein fachlicher Bezug zum Studienfach gegeben ist. Für beide Gruppen gelten die hier skizzierten Impulse entlang der vier Phasen ebenso. Der Blick auf weitere Gruppen möglicher Engagierter lohnt sich auch deshalb, weil herauszufinden bleibt, ob vor allem Kitas, die in ihrem Grundkonstrukt bereits von einem hohen Maß an elterlichem Engagement abhängig sind, bei der zusätzlichen Einbindung von Eltern in dem beschriebenen Rahmen nicht viel stärker herausgefordert sind. Dann müsste zumindest der im Artikel beschriebene dreifache Mehrwert in dieser Konstellation der Koproduktion – damit ein Kernelement für gelingende Zusammenarbeit im Ehrenamt – neu beschrieben werden. Ehrenamt funktioniert immer dann besonders gut, wenn insgesamt an drei Stellen ein Mehrwert geschaffen wird:
Erstens auf der Seite des Empfängers, in unserem Fall das Kind, welches neue alltagsbezogene Erfahrungen machen kann und in Kontakt mit neuen Lebenswelten und Personen außerhalb der Kita kommt;
Zweitens auf der Seite des/der Ehrenamtlichen, hier nicht nur das Erbringen einer sinnvollen Tätigkeit, sondern auch der Blick über den eigenen Tellerrand, häufig verbunden mit dem Einbringen eigener Kompetenzen oder einer neuen Lernerfahrung;
Drittens – wobei hier die Kunst von richtiger Planung und Nutzung von Ehrenamt liegt – bei dem Schaffen eines gemeinsamen und übergeordneten Mehrwertes, in diesem Fall dem Erbringen einer wichtigen Kernleistung der Kita durch Ehrenamtliche, wodurch bei gutem Management Ressourcen gespart werden und die Durchführung selbst durch die bereits vorhandenen Zugänge der Eltern vereinfacht wird.
Fazit
In diesem freilich kurzen Abriss wurde deutlich, dass die Gewinnung von Ehrenamtlichen bereits bei der Planung und der Überlegung zum genauen Einsatz beginnt und nur dann Früchte tragen kann, wenn sie eingebunden in einen Prozess mit funktionierendem Management und guter Führung ist. Die richtige Einbindung bürgerschaftlichen Engagements bedarf somit einer intensiveren Vorbereitung, ermöglicht jedoch anschließend ein wirkungsvolleres und effizienteres Arbeiten.