Selbstverständlich ist es das Ziel, dass ein Unternehmen wirtschaftlich gesund ist. Denn nur so ist es möglich, langfristig sichere Arbeitsplätze vorzuhalten. Doch nicht selten steht die Zufriedenheit des Kunden bzw. Klienten im Mittelpunkt des Organisationsfokus und Arbeitnehmer werden als »Mittel gesehen, um dem Zweck Wirtschaft nachzukommen« (Janssen & Grün 2017, 64). Diese unternehmerische Denk- und Handlungsweise ist längst nicht mehr zeitgemäß. »Götz Werner, Gründer der dm-Drogeriekette, [die mittlerweile auf Platz vier der 50 Top-Arbeitgebern liegt (vgl. Doettinchem, 2020, 37)], sagte einmal: ›Kümmere dich um die Menschen, dann kümmern sich die Ergebnisse um sich selbst‹« (Janssen & Grün 2017, 11).
Doch was bedeutet es, sich um die Menschen im Arbeitsumfeld zu kümmern? Welche Kriterien sollten dabei im Mittelpunkt stehen? Als entscheidender Basisfaktor kann das empfundene Glück von Mitarbeitern am Arbeitsplatz herangezogen werden. Nicht selten wird dessen Bedeutung unterschätzt und als »nettes, weiches Personalkonzept« deklariert (StepStone 2012, 11). Doch Arbeit nimmt einen Großteil der Lebenszeit ein und Menschen wird es zunehmend wichtiger, wie sie leben und arbeiten. Sind Menschen in ihrem Arbeitsalltag glücklich, gehen sie ihrer Arbeit mit Motivation und Engagement nach und bleiben (länger) im Unternehmen. StepStone führte bereits im Jahr 2012 eine Befragung von mehr als 14.800 Unternehmen und Mitarbeitern von sieben europäischen Ländern1 durch, um herauszufinden, »wie sich das Glück am Arbeitsplatz auf die Funktionsweise eines Unternehmens […] auswirkt«. (StepStone 2013, 2). Dabei wurden unter anderem zwei Hauptkriterien deutlich: (1) Arbeitgeber überschätzen das Glück ihrer Mitarbeiter und (2) Unternehmen mit glücklichen Mitarbeitern sind leistungsfähiger.
Wenn sich Arbeitnehmer im Arbeitsalltag nicht wohlfühlen, wird es teuer für das Unternehmen. Mitarbeiter fokussieren sich nicht auf ihre Arbeit, sind häufiger oder länger krank, verlassen das Unternehmen oder »bedienen« Kunden bzw. Klienten »schlechter«.
Mitarbeiterengpässe werden zwar nicht selten durch das vorhandene Personal ausgeglichen, doch die aufgrund von Ausfall eines Mitarbeiters zusätzlich entstandenen Arbeitsumfänge sind durch die bestehenden Mitarbeiter nicht dauerhaft abzufedern. So entstehen neben den Belastungen für die vertretenden Mitarbeiter auch Kosten für Unterbrechungen in Geschäftsabläufen, für Personalbeschaffung und Einarbeitung. Diese meist ungeplanten und nicht selten plötzlich auftretenden Kosten sind nicht zu unterschätzen.
Doch was macht Menschen auf Arbeit glücklich? Neben einer sinnvoll empfundenen Arbeit wird seitens der Mitarbeiter ein familiäres, freundliches Arbeitsklima, der Zusammenhalt im Team und die Zufriedenheit der Kunden bzw. Klienten geschätzt (vgl. Doettinchem, 2020, 29 ff.). Darüber hinaus sind ein realisierbarer Stellenumfang, Homeoffice-Möglichkeiten, flexible Arbeitszeiten, vielfältige Arbeitszeitmodelle und die Vereinbarkeit von Privatem und Beruflichem sowie ein gutes Gehalt, Rahmenfaktoren für Mitarbeiterglück. Zudem wünschen sich Arbeitnehmer in ihrem Arbeitsalltag Mitsprache und einen eigenen Handlungsspielraum, der mit einer abwechslungsreichen Tätigkeit und einer persönlichen Weiterentwicklung einhergeht. Denn Menschen wollen sich verwirklichen und ihre Persönlichkeit ins Unternehmen einbringen. Nicht zuletzt runden ein stärken-basiertes Arbeiten, in dem die Arbeitsleistung anerkannt wird, Wertschätzung und Dankbarkeit im Miteinander gelebt werden, die Glückskriterien von Arbeitnehmern ab (vgl. auch Doettinchem, 2020, 29 ff.). Das Ergebnis sind Mitarbeiter, die glücklich und gesund sind, konzentriert und fokussiert arbeiten, sich gerne engagieren, weniger Fehlzeiten aufweisen, sich mit dem Unternehmen verbunden fühlen und motiviert sind, die eigene Kraft in die Unternehmensentwicklung einzubringen. Sie strahlen mehr Leidenschaft und Energie aus, wodurch sich nicht nur die Zufriedenheit der Kunden bzw. Klienten erhöht, sondern auch die Attraktivität als Dienstleister und Arbeitgeber.
Wertschätzung als Führungsmaxime
Führung ist dann erfolgreich, wenn Mitarbeiter zum einen »aufrecht nach Hause gehen« können und zum anderen in ihnen »Leben geweckt« wird (vgl. Grün 2019, 77 ff.). Eine gewagte These oder ein Führungselement mit Anspruch, welches auf Wertschätzung basiert? Führungskraft zu sein bedeutet, als Impulsgeber, Wegbereiter und Begleiter, Mitarbeiter auf ihrem Weg zu sich selbst zu unterstützen (vgl. Janssen & Grün 2017, 240). Menschen dabei zu stärken, wird damit zu einem gleichrangigen Ziel von Führung. Jeden Mitarbeiter, egal ob als stärker oder schwächer geltend, gilt es, individuell mit seinen Potentiale zu fördern, sodass Wachstum einerseits für den Mitarbeiter persönlich und andererseits für das Unternehmen erfolgen kann. Denn jeder Mitarbeiter ist wertvoll, auch für das Unternehmen, wenngleich dies im ersten Moment nicht immer sichtbar ist.
Die Kommunikation auf Augenhöhe stellt dabei ein entscheidendes Basiselement von wertschätzender Führung dar. Denn Führungskraft und Mitarbeiter begegnen sich als Menschen, auch wenn sie innerhalb der Aufbauorganisation nicht hierarchisch gleichgestellt sind. In diesem Zusammenhang spielen auch Haltung, Sprache, Stimme und Verhalten der Führungskraft eine entscheidende Rolle. Denn mit der eigenen Haltung entstehen bestimmte Gedanken und Gefühle, die wiederum zu einem bestimmten Verhalten oder bestimmten Handlungen der Führungskraft selbst führen und damit konkrete Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen im Gegenüber, dem Mitarbeiter, auslösen. In diesem Zusammenhang gilt: »nur wenn ich an den guten Kern im Menschen glaube, kann ich diesen guten Kern [auch] hervorlocken« (Janssen & Grün 2017, 40). Wird Zuwendung gelebt, kann sich mit dem ganzen Herzen der Arbeit zugewandt werden, »wer Ablehnung erfährt, der wendet sich nicht nur von den Menschen ab, die ihn ablehnen, sondern auch von seiner Arbeit« (Grün 2019, 81). Sprache, Stimme und Körperverhalten können somit verletzen und entmutigen oder aber stärken und aufrichten. Demzufolge kann mit Haltung, Sprache, Stimme und Körperverhalten bestenfalls ein Ort geschaffen werden, an dem Wachstum, Motivation, Begeisterung und Bewegung entstehen können (vgl. auch Janssen & Grün 2017, 34).
Auch haben Menschen Sehnsucht danach, »die Freiheit zu haben, das zu leben, was ihnen als Mensch wirklich wichtig ist« (Janssen & Grün 2017, 104). Das fordert von der Führungskraft neben dem klaren Formulieren des Unternehmenssinns, der Vision und Ziele auch Wertschätzung in Form von Zeit für ein verstehendes Zuhören und Hinterfragen, Offenheit für Neues und Vertrauen in verschiedene Denk- und Handlungsweisen und damit Vertrauen in neue bzw. andere Wege zum Ziel. Dieses wertschätzende Miteinander schafft innere Verbundenheit, ein Gemeinschaftsgefühl und letztlich einen Ort, in dem Kreativität im Rahmen der Unternehmensvision gelebt werden kann.
Wertschätzende Führung bedeutet aber auch, die Entwicklung eines vertrauensvollen Arbeitsklimas durch ein offenes Miteinander, in dem Angst vor Fehlern keinen Raum erhält. Vielmehr gilt es, sich mit entstandenen Fehlern konstruktiv auseinander zu setzen und gemeinsam darüber nachzudenken, was konkret getan werden kann, damit der Fehler nicht noch einmal eintritt. Wertschätzende Führung steht damit für die Etablierung einer gesunden Fehlerkultur. Und in welchem Zusammenhang stehen Wertschätzung und Kontrolle? Kontrolle kann etwas sehr Wertvolles sein, vor allem dann, wenn es im Miteinander ein gegenseitiges Unterstützen ermöglicht. Doch wird zu stark kontrolliert, werden Gegenkräfte entwickelt, die unnütze Energien binden, um der Kontrolle zu entgehen (vgl. Grün 2019, 81). Ziel sollte es demnach sein, als Führungskraft mehr Sinn und Vertrauen, als Anweisung und Kontrolle zu leben, so dass zunehmend selbstbestimmte Teams Verantwortung übernehmen (können), die Intelligenz der Gruppe genutzt wird und sich die Führungskraft weg von einer expertenorientierten Leitung hin zur prozesshaften Führung öffnen kann (vgl. Kissel 2016, 51).
Von der Notwendigkeit, sich als Führungskraft selbst zu kennen und zu führen
Jede Führungskraft hat in ihrer Funktion mehrere Rollen inne. Eine dieser Rollen stellt das »Mensch sein« dar, welches mit dem Vorleben von Bedürfniserkennung und Bedürfnisäußerung, von Gefühlen in Verbindung mit emotional intelligenter Selbststeuerung und nicht zuletzt mit dem Bewusstsein nicht nur über die eigenen Stärken, sondern auch die existierenden Schwächen, im Zusammenhang steht. Wertschätzende Führung bedeutet damit auch, ein »menschlicher werden«, von den Führungskräften sich selbst gegenüber. Wer andere Menschen führt, sollte sich nicht nur der eigenen Stärken bewusst sein, sondern auch der »Baustellen«. Denn »wer um seine eigenen Abgründe weiß, der wird sich nie über andere stellen« (Grün 2019, 77). So stellte Anselm Grün auf einem Führungskräfteseminar folgende These in den Raum:2 »Kein Mitarbeiter ist aus Lust schwierig, sondern aus der inneren Not heraus«. Solche Situationen fordern Führungskräfte heraus, an sich selbst zu wachsen. Wieso selbst wachsen, wenn doch der andere schwierig ist? Weil diese herausfordernden Situationen und/oder Menschen auch zeigen, worin das eigene Wachstum bestehen kann, so dass Handlungen und Reaktionen bewusst(er) gestaltet werden können. Ein Wachstum im Unternehmen beginnt also erst einmal bei sich selbst. Damit ist die Einsicht, dass keine Führungskraft geboren wird, sondern auch Entwicklung braucht, für den individuellen und unternehmerischen (Weiter)Entwicklungsprozess unabdingbar.
Darüber hinaus wird ein sich selbst kennen und sich selbst führen können maßgeblich von der Erkenntnis über den eigenen Sinn im Leben beeinflusst. Denn ohne Sinn entsteht keine Kraft (vgl. Janssen & Grün 2017, 34) und die Führungskraft lässt sich schlechtesten Falls managen, als dass sie (sich selbst) führt. Zu wissen, was uns als Mensch ausmacht, wofür wir stehen, welche Stärken wir mitbringen, welche blinden Flecken es bei uns gibt, führt zum »Einklang mit uns selbst« und zu erfolgreicher Führung. Denn sind Führungskräfte ihrerseits zufrieden und glücklich, können sie diese Haltung vorleben und an ihre Mitarbeiter wertschätzend weitergeben (vgl. auch Janssen & Grün 2017, 49).
Fazit
Wird nicht mehr nur der Unternehmenserfolg, sondern auch der Mensch im Arbeitsumfeld in den Blick genommen, »wird Führung zu einer Dienstleistung am Menschen« (Janssen & Grün 2017, 108). Wertschätzende Führung führt dabei zur menschlichen Führung, die nicht nur dem Mitarbeiter guttut, sondern letztendlich auch der Firma. Einen Ort zu schaffen, an dem Leben, Kreativität und Menschlichkeit gelebt werden, schafft Ausgeglichenheit, Verbundenheit und ein Gemeinschaftsgefühl (vgl. Janssen & Grün 2017, 37). Dabei gemeinsam an einer Vision zu arbeiten beflügelt und schafft sowohl menschlichen als auch unternehmerischen Erfolg. In diesem Sinne kann abschließend festgehalten werden, dass »wenn Du schnell sein willst, dann gehe alleine. Wenn Du weit kommen willst, dann gehe in Gemeinschaft« (Afrikanischer Spruch in Janssen & Grün 2017, 150), mit einem Team, in dem zusammen wertschätzend gearbeitet und gelebt und das Unternehmen gemeinsam zum Erfolg gebracht wird.
Literatur
Grün, Anselm (2019): Menschen führen – Leben wecken. München: dtv.
Janssen, Bodo; Grün, Anselm (2017): Stark in stürmischen Zeiten. Die Kunst sich selbst und andere zu führen. München: Ariston.
Kissel, Klaus (2016): Agile Führung extra trainieren? In: wirtschaft + weiterbildung, Heft 9/2016, 50–52.
StepStone (2013): Glückliche Mitarbeiter – erfolgreiche Unternehmen? Verfügbar unter: http://www.stepstone.de/b2b/stellenanbieter/jobboerse-stepstone/upload/studie_gluck_am_arbeitsplatz.pdf, Zugriff am 03.02.2020.
Wolf-Doettinchem, Lorenz (2020): Glücklich im Job. In: stern, Heft 4/2020, 26–34.
Fußnoten
Zu den befragten Ländern zählten Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Niederlande, Österreich und Schweden.
Führungskräfteseminar »Menschen führen – Leben wecken«, Münsterschwarzach, Februar 2020.