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Achtsamkeit und Resilienz in der Kita

Kinder stehen im Lauf ihrer Entwicklung immer wieder vor neuen Herausforderungen. Stress durch zu hohen Leistungsdruck, Reizüberflutung und dauerhafte Beschallung durch Medien zählen heutzutage zu den häufigsten Einflussfaktoren, die belastend für Kinder sein können. Achtsamkeitspraktiken können da eine Hilfe sein. Sie stärken Kinder in ihrer Widerstandsfähigkeit gegenüber Entwicklungsrisiken und führen zu mehr Ruhe, Gelassenheit und Mitgefühl.

Stress im Kindesalter vorbeugen

Stress im Kindesalter vorbeugen

Erfolgsdruck und Reizüberflutungen sind heutzutage bei Erwachsenen, aber auch bei Kindern, keine Seltenheit. Es werden vermehrt Verhaltensauffälligkeiten und Konzentrationsstörungen diagnostiziert. In unserer schnelllebigen Gesellschaft ist die ständige Erreichbarkeit und Ablenkung durch Handys oder andere Medien bereits normal geworden (vgl. Gruber/Rieger 2002, S. 16). Große Stressfaktoren bei Kindern im Grundschulalter sind, laut den Ergebnissen der Forsa Umfrage im Auftrag der KKH Kaufmännische Krankenkasse, »permanenter Leistungsdruck in der Schule, Mobbing sowie gesellschaftlicher Druck durch Medien, Idole und Influencer« (KKH, 2018, S. 2). Untersuchungen der DAK Gesundheit zufolge stehen 40% der Schüler/innen in Deutschland unter Stress. Mädchen liegen im Durchschnitt mit 48% an der obersten Spitze. Bei den Jungen erleben 30% sehr oft oder oft Stress (vgl. Institut für Therapie- und Gesundheitsforschung 2018, S. 21). Doch was genau bedeutet Stress und was versteht man darunter?

In der Literatur findet man keine einheitliche Definition von Stress. Volker Friebel verwendet in seinem Buch »Das Anti-Stress-Buch für den Kindergarten« folgende Wortdeutung: »Gemeint sind die psychischen und körperlichen Belastungsreaktionen von Menschen unter hohen Herausforderungen.« (Friebel 2012, S. 12) Es wird hier bereits deutlich, dass Stress verschiedenste Ursachen haben kann und es somit auch unterschiedliche Arten vorn Stress gibt.

Häufig werden zwei Arten von Stress unterschieden: Dis- und Eu-Stress. Der Eu-Stress gilt dabei als kontrollierbarer Stress, der uns leistungsfähiger und konzentrierter werden lässt (vgl. Kaltwasser 2010, S. 41 ff.). Beim unkontrollierbaren Stress, auch Dis-Stress genannt, herrscht ein Gefühl der Überforderung. Die Situation, bzw. das Problem, scheint unüberwindbar. Dieser Dauerstress-Zustand macht den Körper langfristig krank (ebd., S. 41 ff.). Die hohen Zahlen der Kinder, die unter Stress leiden, sind erschreckend, besonders wenn man an die daraus entstehenden Folgen denkt.

Psychischer Stress verursacht oft körperliche Beschwerden

Kinder, die sehr oft oder oft Stress erleben, leiden wöchentlich mehr als doppelt so oft an körperlichen Beschwerden, wie Bauchschmerzen, Schlafstörungen, Erschöpfung oder Rückenschmerzen. Bei Kopfschmerzen, Schwindel und Übelkeit treten die Beschwerden sogar dreimal häufiger auf (vgl. Institut für Therapie- und Gesundheitsforschung 2018, S. 28). Stress beeinflusst die Entwicklung der Kinder, stellt sie vor Herausforderungen und kann Risiken mit sich bringen. Allerdings können Kinder lernen, mit Stress umzugehen.

Zur Stressbewältigung werden mit Kindern oft Entspannungsverfahren angewendet. Zu den kognitiven Verfahren zählen Entspannungsverfahren, die überwiegend passiv angewandt werden. Sie wirken auf psychischer und auf physischer Ebene. Darunter fallen Methoden wie das Autogene Training, Meditation und achtsamkeitsbasierte Entspannungsübungen (vgl. Hampel/Petermann 2017, S. 27 ff.). Achtsamkeitspraktiken stärken Kinder in vielerlei Hinsicht und wirkt sich positiv auf deren Entwicklung aus (vgl. Chan Chau Nghiem 2013, S. 19).

Bereits im Vorschulalter kann präventiv durch Achtsamkeitsübungen bei den Kindern angesetzt werden. Die Plastizität der Gehirne von Kindern ist zu dieser Zeit sehr hoch. Das bringt den Vorteil mit sich, dass alles, was in diesem Zeitraum gelernt wird nachhaltig verankert wird (vgl. Davidson 2019, S. 50 f.).

Das Wort Achtsamkeit wird in der englischen Sprache mit »mindfulness« übersetzt. Das Konzept stammt aus der östlichen Weisheitslehre und gelangt seit den letzten Jahren vermehrt in die westliche Gesellschaft (vgl. Hampel/Petermann 2017, S. 29). Achtsamkeitspraxis wird seit vielen Jahrhunderten in verschiedensten Kulturen und Religionen praktiziert (vgl. Rechtsaffen 2016, S. 69). Vermehrt kommt diese auch in unsere Gesellschaft und findet hoffentlich einen festen Standpunkt, um einen Ausgleich zu unserer Leistungsorientierung zu schaffen.

Achtsamkeit macht Kinder stark und widerstandsfähig

Durch Achtsamkeitspraktiken können Kinder in ihrer Widerstandsfähigkeit, auch Resilienz genannt, gestärkt werden. Denn bei den einzelnen Achtsamkeitsübungen werden folgende personale Resilienzfaktoren gestärkt: Selbst- und Fremdwahrnehmung, Selbstwirksamkeit(serwartung), Selbststeuerung/-regulation, soziale Kompetenz, Problemlösefähigkeit und eine adaptive Bewältigungskompetenz (vgl. Fröhlich-Gildhoff/Rönnau-Böse 2015, S. 43). Diese sind unter anderem für innere Stärke und Belastbarkeit verantwortlich. Schutzfaktoren mildern Risikofaktoren wie Stress oder gleichen diese aus. Sie wirken förderlich auf eine gesunde Entwicklung (vgl. Rönnau-Böse/Fröhlich-Gildhoff 2014, S. 18).

Momentan wird in diesem Bereich viel geforscht

Es finden noch viele Forschungen statt, um die Langzeitwirkung von Achtsamkeitspraktiken bei Kindern ausgiebig zu analysieren und auszuwerten. Rückschlüsse auf eine gesteigerte Widerstandsfähigkeit bei Kindern gegenüber Stress können allerdings bereits gezogen werden. Das bedeutet: Die Frage »Können Kinder durch Achtsamkeitspraktiken in ihrer Widerstandsfähigkeit gestärkt werden?« ist mit »Ja« zu beantworten.

Aber nicht nur in ihrer Widerstandsfähigkeit können Kinder gestärkt werden. Achtsamkeitsübungen führen auch zu mehr Mitgefühl und somit zu einer gesteigerten sozialen Kompetenz. Die Aufmerksamkeit und Einsicht in den eigenen Gefühlen in den einzelnen Übungen verhilft zu einer besseren Emotionsregulation – auch im Alltag (vgl. Ricard 2012, S. 53 f.).

Praxisanregungen und Angebote für Kinder gibt es bereits

Es gibt mittlerweile auch in Deutschland viel Literatur, Tipps und Übungen zum Thema Achtsamkeit. Beispiele für Übungen sind: »Das achtsame essen einer Rosine«, »Achtsames Gehen« oder auch »Der Body Scan«. Bei der »Body-Scan«-Übung konzentriert man sich für ein paar Minuten auf seinen Körper und nimmt ihn bewusst wahr. Dabei durchwandert man ihn von den Füßen, bis zu den Fingerspitzen und in den Kopf. Die Kinder bauen dadurch eine stärkere Verbindung zu ihrem Körper auf und kommen zur Ruhe.

Für Kinder in Kindertageseinrichtungen und für pädagogische Fachkräfte findet man spezielle Bücher, die auch Aussagen bezüglich der Rahmenbedingungen und der Strukturen in Kindertageseinrichtungen treffen. Besonders hilfreich waren für mich Bücher von Nils Altner, Vera Kaltwasser, Eline Snel, Christiane Rieger und Christina Gruber.

Pädagogische Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen können Kinder in ihren personalen Resilienzfaktoren stärken, indem sie mit ihnen Achtsamkeitsübungen langfristig und regelmäßig durchführen, damit Techniken in den Alltag übertragen werden können (vgl. Snel 2013, S. 21).

Achtsamkeitsübungen am besten regelmäßig durchführen

Bei der Vorbereitung für Achtsamkeitsübungen sollte ein ruhiger, heller Raum gewählt werden. Genügend Material, wie Decken, Matten und Sitzkissen, sollten für jedes Kind zur Verfügung stehen, auch falls ein weiteres Kind spontan bei einer Übung mitmachen möchte. Bequeme Kleidung der Teilnehmer/innen und des pädagogischen Personals sind angenehmer, als starre, enge Klamotten. Die Übungen sollten in regelmäßigen Abständen und zu ähnlichen Zeiten und nicht direkt nach dem Essen stattfinden, da in dieser Zeit der Körper mit dem Verdauen der Nahrung beschäftigt ist. Ein wichtiger Grundsatz bei Achtsamkeitsübungen lautet: »Entspannung und Meditation nicht erzwingen« (Gruber/Rieger 2002, S. 56). Jedes Kind soll freiwillig an den Übungen teilnehmen können und bestimmt selbst, wie intensiv es sich darauf einlassen möchte.

Eine achtsame Haltung ist Voraussetzung

Um Achtsamkeit zu lehren braucht es allerdings noch mehr als das Wissen und Verstehen der Methoden. Die eigenen Erfahrungen und die Haltung sind dabei sehr wichtig. Es geht bei diesen Praktiken nicht um das Erbringen von Leistungen oder darum, fehlerfrei alle Übungen korrekt durchzuführen. Ziele bei Achtsamkeitsübungen mit Kindern im Vorschul- und Grundschulalter sollten vielmehr nach innen gerichtet sein und sich auf das Spüren des eigenen Körpers, der Gedanken und Emotionen beziehen (vgl. Gruber/Rieger 2002, S. 47).

Es gibt drei feste Bestandteile in Achtsamkeitsübungen

Der Ablauf der Achtsamkeitseinheiten kann in drei Bereiche unterteilt werden. Es gibt bei jeder Übung eine Hinführung, einen Hauptteil und einen Abschluss. Die Regelmäßigkeit dieses immer wiederkehrenden Ablaufs gibt den Kindern Struktur und Sicherheit (vgl. Gruber/Rieger 2002, S. 48).

Bei der Hinführung geht es zunächst um das Ankommen der Kinder im Raum. Dringende Anliegen können noch geklärt werden, bis jedes Kind seinen Platz eingenommen hat. Dann erfolgt ein Einstig mit einem Ritual für die ganze Gruppe. Nach der Durchführung kann durch eine kurze Geschichte oder ein Spiel zum Hauptteil übergeleitet werden (ebd., S. 48).

Der Hauptteil besteht dann aus der Achtsamkeitsmeditation, welche unterschiedliche Themen, wie z.B. einen Ruhe- und Kraft-Ort in sich finden, verfolgt (ebd., S. 48). Eine angeleitete Übung verlangt von den Kindern viel Konzentration und Aufmerksamkeit. Daher sollten bei Kindern im Vorschulalter die Achtsamkeitsmeditationen nicht länger als 6 Minuten und bei Grundschulkindern maximal 10 Minuten andauern (vgl. Altner 2012, S. 84).

Der Abschluss erfolgt in Form eines Ausklangs, in dem die Kinder die Erlebnisse der Meditation »sacken lassen« können, Erfahrungen und Eindrücke mit anderen austauschen und anhand einer gemeinsamen letzten Aktivität einen Ausgleich zur Entspannung schaffen. Dadurch gehen die Kinder aktiviert und gestärkt in den Alltag zurück. (vgl. Gruber/Rieger 2002, S. 49).

Der methodische Aufbau der gesamten Einheit beinhaltet immer einen Wechsel von Anspannung und Entspannung. Dies schafft einen Ausgleich und macht die Übungsabfolgen harmonischer. Deshalb sind aktive Spiele, Yogaübungen, Fantasiereisen und Meditationen gute Bestandteile einer Achtsamkeitseinheit mit Kindern (vgl. Gruber/Rieger 2002, S. 55).

Info

Weitere Informationen zum Unternehmen »Heldenstärke« sowie zu Stärken-, Ressourcen- und Entspannungstrainings für Kinder und Eltern, Fortbildungen und Workshops für pädagogische Fachkräfte finden Sie hier:

Website: www.heldenstaerke.de | E-Mail: info@heldenstaerke.de

Fazit

Pädagogische Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen haben die Möglichkeit, Kinder in ihrer Entwicklung zu stärken. Achtsamkeitsübungen helfen dabei, einen guten Umgang mit Stress und herausfordernden Situationen zu erlangen. Sie wirken nachhaltig und führen zu weiteren positiven Auswirkungen wie Mitgefühl und Stärkung sozialer Kompetenzen. Möglicherweise können wir dadurch unsere Gesellschaft positiv beeinflussen.

Literaturverzeichnis

Das ausführliche Literaturverzeichnis erhalten Sie gerne auf Anfrage an: redaktion@kita-aktuell.de.