Eltern finden den Kitaplatz einen Mausklick entfernt. Familien erkennen Angebot und Platzverfügbarkeit ihrer Wunsch-Kita und können gleich online bestellen. Träger und Kitas sehen in Echtzeit die Prioritätenliste ihrer Voranmeldungen und profitieren dadurch von transparenten Wartelisten. Die Kommune hat endlich Planungssicherheit und einen präzisen Überblick über Bedarf und Platzangebot.
Enttäuschungen in der Praxis
Die Praxis für Träger und Kitas wird leider oft anders gesehen: Das kommunale Bedarfsplanungssystem legt sich als zusätzlicher Anspruch auf den ohnehin vollen Verwaltungsschreibtisch der doch eigentlich für die pädagogische Qualität zuständigen Leitung. Wichtige Ansprüche des Leitbilds wie konfessionelle oder soziale Kriterien finden sich im kommunalen Aufnahmeverfahren nicht ausreichend wieder und erfordern eine zusätzliche Erfassung der Daten in trägerbezogenen Verwaltungsprogrammen oder separaten Listen.
Überhaupt zeigen sich schnell die Unterschiede zwischen der Kaffeemaschine aus dem Online-Shop und der Buchung eines Kitaplatzes. Die guten alten Traditionen des Anmeldeprozesses mit Elterngespräch und Kita-Rundgang müssen neu sortiert werden. Was kommt zuerst? Die Onlinemeldung oder der persönliche Kontakt? Oder erst Kontakt, dann Onlinemeldung und dann nochmal Kontakt, weil jetzt ja erst die Daten da sind …?
Online-Einkäufer erwarten ein schnelles Feedback zu Bestellung und Lieferung. Das passt nicht zur Gewichtung gesammelter Anmeldungen auf der Warteliste des Trägers und dessen Abgleich mit den trägerspezifischen Aufnahmekriterien. Mitunter führt die Unsicherheit bei den Eltern dazu, ihre Aussicht auf eine Zusage durch eine zweite oder dritte Anmeldung – kreativ an den Validierungswerkzeugen der Software vorbei – zu verbessern.
So verlockend die Ziele der Online-Systeme erscheinen – ihre Erreichung ist kein Selbstläufer. Sie sind nicht über die Anschaffung einer Onlineportal-Software alleine herzustellen. Um kommunale Aktionspartner zu vernetzen, müssen die Interessen und Ressourcen aller Beteiligten, der Eltern, der Kommunen, der Träger und der Einrichtungen zusammenspielen.
Vernetzungspotenzial einschätzen
Zunächst ist eine Begriffsklärung sinnvoll, weil es Unterschiede zwischen den angebotenen Systemen gibt. Im KiBiz wird von »Bedarfsanzeigeverfahren« gesprochen. Im Folgenden wird der Oberbegriff »kommunales Bedarfsplanungssystem«, kurz »KBS«, verwendet. Um den Anspruch eines KBS einzuschätzen lassen sich drei Kategorien unterscheiden: Das Bedarfsanzeigesystem, das Voranmeldesystem und die zentrale Kitaplatzerfassung.
Beim Bedarfsanzeigesystem geht es ausschließlich um den Prozess der Bedarfsmeldung. Die Eltern melden Ihren Bedarf und die Kitas ihre frei werdenden Plätze. Die Gegenüberstellung von Nachfrage und Angebot erfüllt den Anspruch des Bedarfsanzeigeverfahrens nach KiBiz und greift dabei nur sehr gering in die Abläufe der Kitas ein.
Das Voranmeldesystem geht einen Schritt weiter: Es erwartet von den Kitas, dass sie dem System eine Rückmeldung geben, sobald ein Kind in der Kita einen Platz bekommen hat. Meist gehört dazu die Verabredung, dass nur oder vorrangig Kinder aufgenommen werden dürfen, die im Voranmeldesystem eingetragen sind. Die Kommune erhält also zusätzlich ein Feedback über die tatsächliche Aufnahme. Das erhöht zwar die Qualität der Daten, bedeutet aber schon einen deutlichen Mehraufwand in der Kita.
Bei der zentralen Kitaplatzerfassung möchte das KBS wissen, wie die tatsächliche Belegung in der Einrichtung aussieht und sich in ihrem Verlauf ändert. Damit werden alle Belegungsdaten der Einrichtung in Echtzeit an die kommunale Kitaplatzerfassung gemeldet. Verlässt ein Kind die Einrichtung oder wechselt sein Stundenkontingent, werden diese Änderungen im kommunalen System gespeichert. Die Kommune gewinnt daraus wertvolle Daten. Damit ist eine Analyse der frei werdenden Plätze für Planungsaufgaben und -szenarien der kommunalen Jugendhilfeplanung möglich. Gleichzeitig können damit die Elternbeiträge ohne zusätzlichen Erfassungsaufwand für die Kommunen verwaltet werden. Auch die Eltern können von den Daten profitieren, denn Echtzeit-Belegungsdaten sind die Voraussetzung für die genaue Information über stichtagsbezogene freie Plätze in den einzelnen Kitas, z.B. in Form eines Ampelsystems. Der Wert einer solchen Datenmenge ist hoch, es erfordert aber einen erheblichen Aufwand, diese Daten verlässlich ins System zu bringen.
Wie weit eine Kommune mit ihrem KBS gehen will, sollte gut überlegt werden. So verlockend die Datengrundlage zu sein scheint, ist mehr dabei nicht unbedingt besser: Das Datenpotenzial einer zentralen Kitaplatzerfassung kann nur ausgeschöpft werden, wenn KBS und Elternbeitragsverwaltung auch entsprechende Schnittstellen besitzen. Die Planungswerkzeuge müssen vorhanden sein und die für diese Prozesse Zuständigen benötigen die entsprechende Expertise. Vor allem aber ist der Mehrwert vernetzter Daten stets nur so gut wie die Qualität der Datenpflege. Je mehr Daten in einer Kommune erfragt werden sollen, desto wichtiger wird es, die Prinzipien qualitativ hoher Datenpflege zu verstehen.
Dienstleister Kita
Im Blick auf die Datenpflege gibt es zunächst ein strukturelles Problem: Die Daten fallen überwiegend in der Kita an, müssen also dort gepflegt werden. Die Kita hat aber relativ wenig Nutzen von den Daten eines KBS, weil sie über die meisten Informationen ohnehin verfügt. Auch wenn die Daten zunächst von den Eltern eingegeben werden, sind die Eltern nicht in erster Linie an der Vollständigkeit der Daten, sondern an einem Kitaplatz interessiert. Für die Praxis bedeutet das, dass Prüfung und Korrektur der Daten durch die Kita erfolgen muss und einen hohen Aufwand ohne Profit verlangt.
Bei der zentralen Kitaplatzerfassung muss die gesamte Belegungshistorie jedes Kindes mit präzisen Informationen dauerhaft abgebildet werden. Will man die Richtigkeit der Daten sicherstellen, muss eine regelmäßige Verprobung durchgeführt werden. Die Daten müssen auf Fehler überprüft und immer wieder auf Übereinstimmung mit der realen Belegung abgeglichen werden. Nach § 3b des Kinderbildungsgesetzes NRW ergibt sich zwar eine grundsätzliche Verpflichtung der Träger zur Kooperation mit Bedarfsanzeigeverfahren. Ob sich daraus auch eine Verpflichtung zur Pflege einer zentralen Kitaplatzerfassung ableiten lässt, ist damit jedoch noch nicht ausgemacht. Vor allem aber ist eine gute Datenqualität allein über eine Verpflichtung kaum zu erreichen.
Wo der Aufwand hoch und der Nutzen gering ist, sind die Gründe nachvollziehbar, »den Computer« pragmatisch und zeiteffektiv »zufriedenzustellen«. Die auf diese Weise erfassten Daten werden auch bei bester Absicht weniger verlässlich sein. Eine Kita-Leitung, die ihre Zeit vor allem für ihre pädagogische Leitungsarbeit benötigt, kann dauerhafte Datenerfassung für die Kommune nicht zusätzlich kostenlos leisten.
Es lohnt sich also, den Haupt-Erfassungs-Dienstleister, die Kita, in ihren Belangen genauer zu berücksichtigen.
Nutzen schafft Datenqualität
Viele Träger setzen bereits seit Jahren Verwaltungsprogramme für ihre Kitas ein. Die Kitas erfassen also oft bereits weit mehr als die kommunal geforderten Daten. Die Daten dieser Systeme besitzen in der Regel eine sehr hohe Validität – und sie haben einen unmittelbaren Nutzen für Kita und Träger. Sie stehen für Gruppenlisten und die Bewertung von Kriterien im Aufnahmeprozess zur Verfügung. Dienstpläne, Datenschutzvereinbarungen, Elterngesprächsverläufe, Bildungsdokumentation, Mittagsverpflegung und viele weitere Organisationsfelder erbringen einen zusätzlichen Nutzen. In diesen vielen Funktionen tauchen die gleichen Daten an unterschiedlichen Stellen immer wieder auf. Das hat nicht nur den Vorteil der Arbeitsentlastung bei den Verwaltungsaufgaben, sondern auch der Daten-Validierung. Fehler in den Daten fallen schnell auf und werden auch schnell korrigiert. Ein KBS, das sich als paralleles System zur wiederholten Erfassung bereits vorhandener Daten darstellt, ist ökonomisch schwer zu vertreten. Es kämpft unter Umständen nicht nur vergeblich um Akzeptanz, sondern kommt auch schwer zu validen Daten. Es gibt viele Bedarfsplanungsprojekte dieser Art, die ihr Ziel verfehlt haben. Gescheitert sind sie meist nicht an der Technik, sondern weil das Konzept der Datenerfassung nicht praxistauglich war.
Wenn die Daten bereits in hoher Qualität vorhanden sind, ist es sinnvoll, der Frage nach Synergien nachzugehen.
Praktische Lösungsansätze
Einen oft zu schnellen Lösungsansatz verfolgen einige KBS-Anbieter, indem sie innerhalb des KBS auch Verwaltungsfunktionen für die Kitas zur Verfügung stellen. Sie bieten also gleichzeitig ein trägerinternes Verwaltungsprogramm an. Der Ansatz bietet theoretisch Synergien. In der Praxis wird eine Kommune aber kaum alle Träger mit diesem Angebot erreichen. Die Option kommt eher für Träger infrage, die noch kein Verwaltungsprogramm besitzen aber auch nur dann, wenn dessen Einrichtungen alle in der gleichen Kommune sind und mit dem gleichen KBS arbeiten. Alle anderen hätten einen erheblichen Aufwand im Umbau ihrer Kitaverwaltungen. Darüber hinaus kann die Synergie zum KBS stets für den Träger nur ein Kriterium bei der Auswahl eines Verwaltungsprogramms sein. Wichtiger sind Anforderungen wie Funktionsumfang, Anpassbarkeit an das Trägerprofil und die eigenen Workflows oder die Einbindung der Landesgesetzgebung. In einer pluralen Trägerlandschaft kann dieser Ansatz allein kaum gelingen.
Die innovativere Lösung besteht im Aufbau sogenannter »bidirektionaler« Schnittstellen zwischen KBS und Träger-Programmen. Die Technik der Online-Portale ermöglicht grundsätzlich den Einsatz sogenannter »Web-Schnittstellen«, den einige Anbieter auch unterstützen. Was zunächst technisch klingt, ist z.B. durch das Bahnprogramm auf dem Smartphone bekannt: Hier geschieht ein Austausch von Anfrage, Rückmeldung, Buchung und Bestätigung »bidirektional«, das heißt in beide Richtungen. Das Trägerprogramm vernetzt sich über eine solche Schnittstelle mit dem KBS. Auf diese Weise werden Informationen über Anmeldungen und Absagen der Eltern mit den eigenen Zusagen oder denen benachbarter Einrichtungen ausgetauscht. So können trägerspezifische konfessionelle oder soziale Kriterien in den Aufnahmeprozess integriert werden, die für das Profil des Trägers wichtig sind. In der Kita wird weiter das Trägerprogramm gepflegt und die dort enthaltenen hoch validen Daten werden über die Web-Schnittstelle mit dem KBS synchronisiert. Datenschutzrichtlinien und Prüfsysteme sorgen für die genaue Einhaltung vordefinierter Spielregeln. Die Kommune profitiert beim Einsatz bidirektionaler Schnittstellen von der Qualität der Daten, für den Träger bleibt die Anerkennung seines Profils gewahrt und die Kitas können eine hohe Datenqualität ohne erheblichen Mehraufwand anbieten.
Auf das Projektmanagement kommt es an
Bei der Planung und Einführung kommunaler Bedarfsplanungssysteme versuchen Kommunen und Träger oft sehr wohlwollend im Vorfeld eine Übereinkunft zu finden. Unter dem Zeitdruck des Rechtsanspruchs wird die Komplexität des Projekts dabei häufig unterschätzt.
Ein professionelles Projektmanagement analysiert zunächst die Interessen aller Partner. Die Perspektive der Kommune wird sich dabei auf die Bedarfsplanung richten, die der Träger auf ihre inhaltliche Rolle im subsidiären System und die der Kitas auf eine Einschätzung des leistbaren Mehraufwands und die Frage, welche Ressourcen dafür zur Verfügung gestellt werden. Alle Seiten müssen die Bedeutung der veränderten Verfahren deutlich machen. Nur so können die verschiedenen Perspektiven in Einklang gebracht werden. Auch die Stimme der Eltern kann durch Feedback- und Bewertungssysteme integriert werden.
Je weiter der Vernetzungsanspruch des KBS geht, desto intensiver muss sich das Projektmanagement auch mit den technischen Fragen des Prozesses und der Auswahl des KBS beschäftigen. Einige KBS-Anbieter sind eher in hierarchischen als in subsidiären Strukturen beheimatet und die Qualität ihrer bidirektionalen Schnittstellen ist unterschiedlich. Gerade für Kitas und Träger ist es wichtig, die technischen Weichenstellungen als Gestaltungschance zu sehen und Anforderungen zu benennen. Bei der Kostenplanung müssen neben den Kosten für das KBS auch die Schnittstellenkosten sinnvoll eingeplant werden. Oft ist es hilfreich, Experten mit hinzuzuziehen, die Beratungs- oder Moderationsaufgaben übernehmen.
Nicht immer gelingt es bereits in der ersten Runde, alle diese Anforderungen ausreichend umzusetzen. Ein gutes Projektmanagement plant Rückmelde- und Korrekturschleifen direkt mit ein.
Fazit
Die Idee einer kommunalen Vernetzung des Anmeldeprozesses ist zeitgemäß. Im digitalen Zeitalter ist es für Kommunen, Träger und Kitas wichtig, den Anschluss an die Online-Welt aktiv zu gestalten. Einseitige Systeme und die Verlagerung der Datenerfassung auf die Kita gefährden aber den Erfolg. Kommunale Vernetzung kann gelingen, wenn die Stärken des subsidiären kommunalen Netzwerkes anerkannt und in die erforderlichen technischen Strukturen umgesetzt werden. Wer sich dieser Aufgabe als Kommune, Träger und Kita stellt, hat Teil an einem Gestaltungsprozess, von dem alle Seiten profitieren.