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Das »Gute-Kita-Gesetz«: Wirklich gut?

Seit dem 19.12.2018 gibt es das »Gesetz zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Verbesserung der Teilhabe in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege« (KiQuTG), mit dem die Bundesregierung bis 2022 5,5 Milliarden Euro für mehr Qualität in den Kitas zur Verfügung stellt. Grundsätzlich ist im Gesetz vorgesehen, dass die Länder dazu aus zehn Handlungsfeldern Maßnahmen auswählen, die die Qualität in den Einrichtungen optimieren sollen.

Gute-Kita-Gesetz kritisch betrachtet

Gute-Kita-Gesetz kritisch betrachtet

Diese zehn Felder wurden vorab in einem mehrjährigen Prozess zwischen den zuständigen Ministerien unter Mitarbeit von Trägervertretern, Gewerkschaften und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern entwickelt. Weil dieser Prozess sehr breit, aber zielgerichtet ausgerichtet war, waren die Erwartungen an das neue Gesetz groß: Es sollte ein wichtiger Schritt zu gleichwertigen Lebensbedingungen von Kindern und Familien in ganz Deutschland sein und dabei auch die Arbeitsbedingungen der Fachkräfte verbessern.

Diese zehn Handlungsfelder sind:

  1. ein bedarfsgerechtes Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsangebot in der Kindertagesbetreuung schaffen, welches insbesondere die Ermöglichung einer inklusiven Förderung aller Kinder sowie die bedarfsgerechte Ausweitung der Öffnungszeiten umfasst.
  2. einen guten Fachkraft-Kind-Schlüssel in Tageseinrichtungen sicherstellen,
  3. die Gewinnung und Sicherung qualifizierter Fachkräfte,
  4. die Leitungen der Tageseinrichtungen stärken,
  5. die Gestaltung der in der Kindertagesbetreuung genutzten Räumlichkeiten verbessern,
  6. Maßnahmen und ganzheitliche Bildung in den Bereichen kindliche Entwicklung, Gesundheit, Ernährung und Bewegung fördern,
  7. die sprachliche Bildung fördern,
  8. die Kindertagespflege stärken,
  9. die Steuerung des Systems der Kindertagesbetreuung im Sinne eines miteinander abgestimmten, kohärenten und zielorientierten Zusammenwirkens des Landes sowie der Träger der öffentlichen und freien Jugendhilfe verbessern oder
  10. inhaltliche Herausforderungen bewältigen, insbesondere die Umsetzung geeigneter Verfahren zur Beteiligung von Kindern sowie zur Sicherstellung des Schutzes der Kinder vor sexualisierter Gewalt, Misshandlung und Vernachlässigung, die Integration von Kindern mit besonderen Bedarfen, die Zusammenarbeit mit Eltern und Familien, die Nutzung der Potentiale des Sozialraums und den Abbau geschlechterspezifischer Stereotype.

Insgesamt bieten diese Felder wichtige Stellschrauben, um die Qualität von Kitas zu verbessern. GEW, Caritas und AWO haben im Entstehungsprozess auch sehr darauf gedrängt, dass nicht nur Handlungsfelder, sondern auch Ziele gesetzt werden, auf die die Länder hinarbeiten. So wäre es möglich gewesen, gleiche Standards in ganz Deutschland für alle Kitas anzustreben und so einen echten Beitrag für gleichwertige Lebensverhältnisse von Kindern und Familien, sowie ähnliche Arbeitsbedingungen für die Fachkräfte zu schaffen.

Umso größer war in der Fachwelt die Enttäuschung, dass das Gesetz aber gerade keine gleichen Standards für alle Bundesländer schafft. Somit bleibt die Bildungs- und Kitaqualität für Kinder weiterhin weitgehend von deren Wohnort abhängig.

Wichtigster Indikator für Qualität und gute Arbeitsbedingungen dürfte die Fachkraft-Kind-Relation sein. Mit dieser wird gemessen, um wie viele Kinder sich eine Fachkraft im Schnitt kümmern muss. Dieser Wert ist seit Jahren je nach Bundesland, teilweise sogar von Kommune zu Kommune, sehr unterschiedlich: Wenn man berücksichtigt, dass immer auch rund 1/3 der Arbeit nicht direkt mit den Kindern stattfindet (z.B. wegen Verwaltungsarbeiten, Vor- und Nachbereitung, aber auch wegen Krankheit und Fortbildung), kommen auf eine Fachkraft derzeit z.B. in Mecklenburg-Vorpommern in Kindergärten (ab dem 3. Lebensjahr) rund 20 Kinder. In Baden-Württemberg sind es immer noch 10,5 Kinder je Fachkraft. Dass die Qualität der pädagogischen Arbeit dadurch sehr unterschiedlich sein muss, leuchtet jedem ein! Gesamt auf Deutschland gerechnet kümmert sich eine Fachkraft derzeit im Schnitt um 13,3 Kinder.2 Damit sind wir immer noch weit von den aktuellen Empfehlungen der Wissenschaft entfernt. Danach sollte sich eine Fachkraft in der Realität um weniger als zehn Kindergartenkinder ab 3 Jahren kümmern.3

Auch Programme zur Gewinnung von qualifizierten Fachkräften, geeignete Schulungen und Weiterbildung von Fachkräften sowie die Stärkung und Unterstützung der Leitungen sind wichtige Stellschrauben, um für mehr Qualität in den Kitas zu sorgen und die Kita als Arbeitsort für (angehende) Fachkräfte und Leitungen attraktiv zu machen. Denn das größte Problem in den Kitas dürfte vor allem der anhaltende Fachkräftemangel sein, der durch die Zunahme von administrativen Aufgaben für die Leitungen noch verstärkt wird und am Image der Kitaberufe kratzt. Die Länder wären sicher gut beraten, vor allem diese Dimensionen in den Blick zu nehmen.

Derzeit laufen die Verhandlungen zwischen dem Bund und den einzelnen Ländern über die Verwendung der Mittel. Leider werden diese Gespräche nicht öffentlich geführt, sodass meist erst kurz vor Abschluss der einzelnen Verträge genau klar ist, wofür das Geld tatsächlich eingesetzt werden soll. Soweit dies bereits bekannt ist, hat die GEW dies aus verschiedenen Quellen in einer Tabelle zusammengefasst.4

Welche tatsächlichen Auswirkungen die Mittel in den Ländern haben, soll laut Gesetz durch ein Monitoring überprüft und in regelmäßigen Berichten dargestellt werden. Leider gibt es für den Bund jedoch keine Möglichkeit, die Länder zum Nachsteuern zu bewegen, falls die Maßnahmen gerade nicht zu einer Verbesserung der Qualität führen.

Entlastung bei den Kitabeiträgen – richtig und doch falsch

Auf Druck der Länder wurde im Gesetz auch die Möglichkeit geschaffen, die Gelder auch für die Reduzierung oder Abschaffung von Kitabeiträgen zu verwenden. Viele Länder machen davon umfänglich Gebrauch, so z.B. Mecklenburg-Vorpommern und das Saarland. Grundsätzlich ist es zwar gut, wenn Bildung für alle Altersstufen kostenfrei ist, aber das ist eine familienpolitische Maßnahme, die selbst nichts an der Qualität in den Kitas ändern wird. Die Gelder aus dem Gesetz waren für die Verbesserung der Qualität bestimmt – da macht es wenig Sinn, damit jetzt vor allem Elternbeiträge zu senken. Gleichzeitig ändert dies nicht viel an der bundesweiten Ungleichheit, wenn nicht alle Länder die Gebühren abschaffen.

Fachkräfte, Träger und Eltern sind gefragt

So, wie die Länder die Gelder einsetzen wollen, ist nicht zu erwarten, dass es bundesweit zu einem spürbaren Qualitätsschub in den Kitas kommen wird. Da die wichtigste Stellschraube für mehr Qualität im Kita-Alltag sicher die Fachkraft-Kind-Relation sein dürfte, müssen die Gelder verstetigt werden.

Die Förderung darf nicht 2022 enden, sondern muss weiter ausgebaut werden, denn nur so ist es möglich, dauerhaft Stellen zu schaffen und nicht nur kurzfristige Projekte und Investitionen zu ermöglichen. Das Geld darf auch nicht in den Landeshaushalten versickern oder als »Wahlgeschenk« missbraucht werden, es muss bei den Trägern ankommen, um Wirkung entfalten zu können. Deswegen sind die Fachkräfte gefragt!

Fazit

Gemeinsam mit Eltern, Trägern und Gewerkschaften müssen die Fachkräfte Druck auf die Landesregierungen erzeugen, damit diese die Gelder auch wirklich in Qualitätsmaßnahmen investieren und sich beim Bund um eine Verstetigung der Förderung bemühen. Ein guter Zeitpunkt dafür ist sicher auch die Tarifrunde des öffentlichen Dienstes 2020, wo es um die Gehälter der kommunal Beschäftigten und vieler weiterer Fachkräfte geht: Die Erfahrung zeigt, dass gerade die Erzieherinnen und Erzieher in dieser Zeit öffentlich wahrgenommen werden und so ihre Anliegen gut in die Öffentlichkeit transportieren können. Deswegen ist es wichtig, diesen Zeitraum auch dafür zu nutzen, auf die eigenen Arbeitsbedingungen aufmerksam zu machen – denn gute Arbeitsbedingungen in den Kitas heißt auch weniger Ausfälle durch Krankheit beim Personal. Gleichzeitig kann es nur durch gute Arbeitsbedingungen gelingen, mehr Menschen für den Beruf zu interessieren und zum Einstieg in die Kita zu bewegen.

Fußnoten

1 KiQuTG § 2 Maßnahmen zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Verbesserung der Teilhabe in der Kindertagesbetreuung.

2 Aktuelle Zahlen finden sich im »Ländermonitor frühkindliche Bildungssysteme« der Bertelsmann Stiftung: www.laendermonitor.de.

3 Die Bertelsmann Stiftung empfiehlt für Kinder ab 3 Jahren bis zum Schuleintritt einen Personalschlüssel von 1:7,5. Erhöht man diesen Wert um 1/3, erhält man eine Fachkraft-Kind-Relation von 1:9,975.

4 Berücksichtigt wurden alle Bundesländer bis zum 25.09.2019. Eine Übersicht über die zwischen der Bundesregierung und den einzelnen Bundesländern geschlossenen Vereinbarungen über die Höhe und die geplante Verwendung der bereitgestellten Mittel aus dem „Gute-Kita-Gesetz“ finden Sie im Internet zum Download: bit.ly/33Cop44.