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Das Team als Motor inklusiver Entwicklungsprozesse

Nimmt man das Auto als Beispiel, so ist der Motor ein essenziell wichtiges Bauteil, ohne das ein Auto nicht als Fortbewegungsmittel genutzt werden kann. Nur mit einem funktionierenden Motor kann ein Auto sein Ziel erreichen. Hat der Motor einen Defekt, muss die Fahrt unterbrochen werden. Eine ähnlich hohe Bedeutung hat das Team in frühpädagogischen Bildungseinrichtungen. Ohne ein funktionierendes Team ist es kaum möglich, sich auf ein pädagogisches Qualitätsniveau innerhalb der Einrichtung zu einigen, die Konzeption fortzuschreiben und somit auch die Qualität frühkindlicher Einrichtungen vor Ort weiterzuentwickeln.

Die Stärken und Schwächen der einzelnen Mitglieder gut kennen.

Die Stärken und Schwächen der einzelnen Mitglieder gut kennen.

Im wissenschaftlichen Diskurs wird das Team als entscheidender Faktor identifiziert, wenn es darum geht, Inklusion erfolgreich umzusetzen (Lichtblau 2018/Weltzien et al. 2016). »Eine wichtige Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche inklusive pädagogische Praxis ist nicht zuletzt die positive Einstellung pädagogischer Fachkräfte zur inklusiven Bildung« (Lichtblau 2018: 164). Und dies gilt natürlich auch für Teams, die aus solchen Fachkräften bestehen. Dieses Zitat verdeutlicht, dass den pädagogischen Teams ein hoher Stellenwert bei der erfolgreichen Umsetzung von Inklusion in frühpädagogischen Einrichtungen zugeschrieben wird. Doch was macht ein erfolgreiches Team eigentlich aus?

Was ist eigentlich ein Team?

Bevor diese Fragestellung hinreichend beantwortet werden kann, erscheint es zunächst notwendig, den Begriff des Teams kurz zu definieren. Zur Differenzierung nutzt Bernitzke (2009) den Terminus der Arbeitsgruppe, bei der es vorrangig darum geht, einen gemeinsamen Arbeitsauftrag erfolgreich zu bewältigen. Ähnlich wie bei einer Arbeitsgruppe steht beim Team ebenfalls der gemeinsame Arbeitsauftrag im Mittelpunkt. Doch im Gegensatz zu der Arbeitsgruppe definiert ein Team seine Stärke vor allem aus einem Zusammengehörigkeitsgefühl und der Tatsache, dass jeder seine individuellen Stärken gleichberechtigt einbringen kann. »Das Team erlebt sich als Einheit, in der jeder für den anderen einsteht und sich jeder mit seinen Stärken einbringt, um die Leistungsfähigkeit des anderen zu steigern« (Bernitzke 2009: 14).

Ein Team ist dabei mehr als die Summe der einzelnen Menschen, die miteinander agieren. Durch die unterschiedlichen Stärken, die jedes einzelne Teammitglied einbringt, wird ein Team erst leistungsfähig. Der Erfolg ist demnach ein Resultat aus den Kompetenzen der einzelnen Teammitglieder. Dieser Logik folgend, werden auch Misserfolgserlebnisse weniger den einzelnen Teammitgliedern zugeschrieben (vgl. ebd.: 14). Doch die Entstehung eines Teams ist kein Prozess, der durch das bloße Zusammenkommen von Menschen mit der gleichen Zielsetzung entsteht. Vielmehr erfordert ein Team von allen beteiligten Personen ein hohes Maß an Kommunikations- und Reflexionsbereitschaft.

In Kindertagesstätten wird der Begriff des Teams oft mit einer hohen Selbstverständlichkeit genutzt. Hier arbeiten in der Regel Fachkräfte mit unterschiedlichen Qualifikationen zusammen. Angesichts einer solchen heterogenen Zusammensetzung besteht eine große Herausforderung darin, eine Teamstruktur zu entwickeln, in der gemeinsame Entscheidungen getroffen und Verantwortlichkeiten geteilt werden. Auch die Forderung nach multiprofessionellen Teams ist sicherlich gewinnbringend, doch es muss klar sein, dass das Zusammenwirken von Fachkräften mit unterschiedlicher Qualifikation auch neue Herausforderungen mit sich bringen kann. »Das Gelingen der guten Integration neuer Fachkräfte […] ist abhängig von zur Verfügung stehenden Zeitressourcen, von der Möglichkeit, ausreichend vertiefte Gespräche zu führen und von Reflexionsmöglichkeiten« (Weltzien et al. 2016: 340).

Gemeinsam Wege finden – gemeinsam Handeln

Im Rahmen des im Institut für Bildung, Erziehung und Betreuung in der Kindheit | Rheinland-Pfalz (IBEB) angesiedelten Forschungsprojektes »Qualitätsentwicklung im Diskurs – In Vielfalt stark werden« wurden neben weiteren Experten und Expertinnen vor allem Fachkräfte und Kita-Leitungen befragt. Im Rahmen der qualitativen Befragungen wurde das Team immer wieder als ein wesentlicher Bestandteil benannt, wenn es darum geht, Inklusion in den Kindertageseinrichtungen des Landes erfolgreich und nachhaltig umzusetzen. Doch welche Funktionsweise wird dem »Team« in Bezug auf eine erfolgreiche Umsetzung von Inklusion zugeschrieben?

Im Rahmen der Interviews zeigte sich zunächst, dass das Team aus der Sicht von Fachkräften einen bedeutsamen Ort des Austauschs darstellt. Das Team wird dabei als ein Raum der Vergewisserung oder Rückversicherung betrachtet, der in seiner Funktionsweise vor allem dafür genutzt wird, immer wieder einen Abgleich darüber zu schaffen, ob und in welcher Art und Weise man sich noch auf dem gemeinsam gewählten Weg befindet. »[…] wir gehen den Weg gemeinsam und wir testen, ob es gut für uns ist, aber am Anfang steht immer die Frage: ›Können alle diesen Weg mitgehen?‹ Ich glaube, wenn man gemeinsam im Team irgendetwas beschließt und sich auf einen neuen Weg macht […], dann ist es wirklich wichtig, dass man gemeinsam arbeitet […], dann stärkt es einen persönlich als Erzieher/in und eben auch das ganze Team« (Mp).1

Der Austausch zwischen den Teammitgliedern dürfte ein wichtiges Momentum für pädagogische Teams in ihrem Bestreben darstellen, die Qualität der pädagogischen Arbeit zu sichern und weiterzuentwickeln. In der Auswertung der Interviews wurde deutlich, dass es Erkenntnismomente gibt, welche die Zusammenarbeit und den dafür notwendigen Austausch im Team beeinflussen. So sind in diesem Zusammenhang die vielfältigen Qualifikationen von Fachkräften, aber auch die generationale Ordnung zwischen den Fachkräften als wesentliche Erkenntnismomente zu benennen. In diesem Zusammenhang wird die berufliche Erfahrung als Schlüssel betrachtet. »Ein Team besteht aus verschiedenen Kolleginnen und Kollegen, die ihren Ausbildungsweg anders beschritten haben oder die älter und jünger sind und damit vielleicht verschiedene Erfahrungen mitbringen.« (Mp)

Dieses Zitat verdeutlicht, dass es ein hohes Maß an Vielfalt und Heterogenität auch innerhalb der Teams gibt, das im Zuge der Qualitätsentwicklung in Kindertagesstätten sehr wertvoll sein kann. Dafür scheint es aber wichtig zu sein, dass eine Sensibilität und die Wertschätzung von Vielfalt nicht nur in Bezug auf die Kinder zu denken sind. Auch in den pädagogischen Teams selbst sollte ein Prozess in Gang gesetzt werden, der die Vielfalt der einzelnen Teammitglieder explizit hervorhebt. Das ist mit einem Perspektivwechsel verbunden. Eine vielfaltssensible Pädagogik ist nicht nur auf Kinder und deren Familie bezogen zu denken, sondern muss auch innerhalb der Teams verstärkt zum Thema gemacht werden.

Das Team als Katalysator pädagogischer Arbeit

Im Rahmen der Interviews zeichnete sich ab, dass ein Team – um im Bildbereich »Auto« zu bleiben – eine ähnliche Funktionsweise wie ein Katalysator hat. Nimmt man den Katalysator als Bild, dann findet hier der chemische Prozess der Katalyse statt. Mittels einer Katalyse werden chemische Prozesse in Gang gesetzt, die ohne die Katalyse selbst nicht oder nur sehr langsam verlaufen würden. Ein Team, das gut funktioniert, kann im Sinne einer Katalyse Dinge anstoßen, die sonst gar nicht stattfänden oder viel länger benötigen würden. Das können Strategien, Prozesse, Definitionen von Standards, Umsetzung neuer Ideen und vieles mehr sein, die durch eine gute Zusammenarbeit im Team vorangebracht werden.

Ein Team ist der Ort einer Kindertagesstätte, der dazu genutzt wird, Ideen zur Gestaltung und Weiterentwicklung in den Diskurs mit den anderen Teammitgliedern einzubringen. Neben dieser Funktion zeigte sich in den Interviews des Forschungsprojektes, dass den Teams auch eine kompensatorische Funktion zugeschrieben wird. Diese kompensatorische Funktion des Teams wird insbesondere durch die kollegiale Beratung der Fachkräfte deutlich. Das Team wird von Seiten der pädagogischen Fachkräfte unter anderem dafür genutzt, besondere Heraus- oder auch Überforderungen in der pädagogischen Arbeit mit Kindern zu kommunizieren und mögliche Lösungsansätze zu diskutieren.

In der Äußerung einer Kita-Leitung tritt dies sehr deutlich hervor: »Also wir machen das schon mal so, wenn man mal so in einer Stress-/Konfliktsituation ist, dass man sagt: ›Hier ich muss da jetzt gerade mal kurz Luft holen. Kannst du mal bei den Kindern bleiben? Ich muss raus.‹ Das ist halt einfach die Wichtigkeit, dass das Team sich gegenseitig unterstützt« (M1)

Zusammenarbeit im Team benötigt eine diversitätssensible Teamkultur

Diese Forschungsergebnisse verdeutlichen, wie wichtig es ist, eine Teamkultur zu entwickeln, die die Vielfalt von pädagogischen Fachkräften in einem ersten Schritt in das Bewusstsein der Teammitglieder bringt. Vielfalt sollte auch innerhalb der pädagogischen Teams als etwas Wertvolles verstanden werden, bevor Vielfalt auch im Umgang mit Familien und deren Kinder wertschätzend gelebt werden kann. Das Team ist damit der Dreh- und Angelpunkt, wenn es darum geht, Prozesse der Qualitätsentwicklung in Kindertagesstätten nachhaltig zu implementieren. Doch vor dem Hintergrund hoher personeller Belastungen und einer hohen Fluktuation von Fachkräften gibt es auch Faktoren, die den Entwicklungsprozess einer vielfaltsbewussten und -sensiblen Teamkultur erschweren.

Angesichts dieser scheinbar zunehmenden Belastungen im pädagogischen Arbeitsfeld kann ein Team seine kompensatorische Funktion vor allem dann entfalten, wenn jedes Teammitglied um die Stärken, Schwächen und besonderen fachlichen Qualifikationen und Kompetenzen der Kollegen und Kolleginnen weiß. Bereits heute kommen in den Tageseinrichtungen viele Fachkräfte mit unterschiedlichen Funktionen und Qualifikationen zusammen. Die immer wieder aufflammende Forderung nach multiprofessionellen Teams mag berechtigt sein, aber man sollte an dieser Stelle bedenken, dass dies heute in vielen Einrichtungen schon Realität und gelebte Praxis ist.

Fazit

Der im Institut für Bildung, Erziehung und Betreuung in der Kindheit | Rheinland-Pfalz (IBEB) entwickelte Ansatz »Qualitätsentwicklung im Diskurs« richtet sich – neben Trägern, Familien und Kindern – ganz gezielt an die handelnden Teams in den Einrichtungen. Durch berufsbezogene, autobiografisch orientierte Reflexionsfragen möchte das IBEB mit dem Ansatz die handelnden Teams ganz bewusst darin unterstützen, die dem Team selbst innewohnende Vielfalt wahrzunehmen und diese zu nutzen, um einen dauerhaften Diskurs zu initiieren, der die Qualität der pädagogischen Arbeit weiter steigern kann. Der Ansatz »Qualitätsentwicklung im Diskurs« mit seiner prozesshaften und durch Prozessbegleiter/innen ausgerichteten Struktur kann die Teams darin unterstützen, die ihnen innewohnende Vielfalt zu entdecken und Stärken und Kompetenzen des Einzelnen gewinnbringend für alle in den pädagogischen Alltag einzubringen. Ein Team ist demnach mehr als die Summe seiner Einzelteile. Vielmehr gilt es, die individuellen Stärken der einzelnen Teammitglieder zu nutzen, um über diesen Weg eine Teamkultur zu entwickeln, die Vielfalt auf allen Wegen anerkennt. Nur, wer Vielfalt im Team als bereichernd und positiv erlebt und zulässt, kann dies auch in der Arbeit mit Kindern und Eltern glaubhaft und nachhaltig als positiven Wert vermitteln.

Literatur

Bernitzke, F. (2009). Handbuch Teamarbeit. Grundlagen für erfolgreiches Arbeiten in Kita und Kindergarten. Freiburg im Breisgau: Herder Verlag.

Lichtblau, M. (2018). Inklusive und Integrative Bildung. In: Handbuch. Empirische Forschung in der Pädagogik der frühen Kindheit. Münster, New York: Waxmann Verlag. S. 157–173.

Weltzien, D., Fröhlich-Gildhoff, K., Strohmer, J., Reutter, A., Tinius, C. (2016). Multiprofessionelle Teams in Kindertageseinrichtungen. Evaluation der Arbeitsprozesse und Arbeitszufriedenheit von multiprofessionell besetzten Teams in Baden-Württemberg. Weinheim und Basel: Beltz Juventa.

Veröffentlichungen zum Ansatz Qualitätsentwick-lung im Diskurs

Autorengruppen IBEB (2020). Qualitätsentwicklung im Diskurs. Vielfalt leben – Haltung entwickeln – Qualität zeigen. Weimar: verlag das netz. (geplante Veröffentlichung April 2020).

Fußnoten


Da im Rahmen des Forschungsprojektes Interviews mit unterschiedlichen Akteuren aus dem Arbeitsfeld der Kindertagesstätten geführt wurden, sind die hier genutzten Interviewpassagen anonymisiert und mit einer Kennung versehen worden. Mp – steht für Mitarbeiter*in Pretest; M1 für Mitarbeiter*in 1.