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Die Eltern im Fokus: Der Übergang von der Kinderkrippe in den Kindergarten

Zur Gestaltung einer qualitativ hochwertigen Begleitung durch die pädagogischen Fachkräfte - Der aktuelle Krippenausbau in Deutschland lässt den Anteil der Kinder und Familien, die diesen Übergang erleben, stark ansteigen. Zurzeit fehlt es allerdings noch an praxisnahen Konzepten und so stellt sich die Frage: Wie kann mit diesem Übergang fachgerecht umgegangen werden und wie können Eltern in diesem Übergangsprozess bedürfnisorientiert begleitet werden?

Die Eltern im Fokus: Der Übergang von der Kinderkrippe in den Kindergarten

© Marco2811

Jeder Mensch wird im Laufe seines Lebens immer wieder mit Übergängen konfrontiert. Dabei erfolgen bereits im frühen Kindesalter die wichtigsten Übergänge:

  • Familie –> Kinderkrippe
  • Kinderkrippe –> Kindergarten
  • Kindergarten –> Grundschule

Und auch danach erlebt jeder Mensch weitere Übergänge, die im Lebensverlauf Veränderungen und Herausforderungen darstellen und durch Wandlung und Anpassung bewältigt werden müssen. Dabei können Übergangsprozesse sowohl positiv als auch negativ empfunden werden und sich geplant oder unvorhersehbar ereignen, was wiederum Chancen wie auch Risiken darstellen kann.

Die Gestaltung des Übergangs zwischen der Kinderkrippe und dem Kindergarten kann als Ausdruck des sozialen Systems, welches von allen Beteiligten am Erziehungs- und Bildungsprozess kommunikative und kooperative Grundhaltung erfordert, beschrieben werden.1

Eine konzeptionelle Verankerung dieser Thematik kann eine positive Wirkung auf die Zusammenarbeit der jeweiligen Institutionen und ihrer Beteiligten, Kind - Eltern - pädagogische Fachkraft, haben.

Eltern nehmen in diesem Übergang eine Doppelrolle ein

Dabei ist zu berücksichtigen, dass Eltern die Phase des Übergangs gleich zweimal erleben. Einerseits gestalten sie den Übergang ihres Kindes mit und andererseits sind sie selbst am Übergang und den damit verbundenen Veränderungen beteiligt. Eine von Vertrauen geprägte Beziehung zu der pädagogischen Fachkraft ist daher von großer Bedeutung und kann vor allem durch einen wechselseitigen Dialog, der von Beginn an stattfindet, entstehen.

Das Ziel professioneller Übergangs-begleitung besteht darin, Kinder und Eltern zu stärken, damit sie den Über-gang eigenaktiv und selbstbestimmt überwinden können.2

Doch wie kann dieses praxisnah gestaltet werden und was genau meint ein Übergang bzw. eine Transition?

Was ist ein Übergang oder eine Transition?

Mit den Begriffen des Übergangs oder auch der Transition sind Lebensereignisse gemeint, die auf verschiedenen Ebenen von einem Individuum zu bewältigen sind. Sie bewirken einschneidende Veränderungen im Leben des Individuums, die mit sozialer Unterstützung und bewussten Lernprozessen bewältigt werden können.3

Dabei findet die Verwendung beider Begriffe häufig synonym statt, wobei der Begriff der Transition eher eine theoretisch fundierte und empirisch überprüfbare Basis deutlich macht. Er berücksichtigt dabei unterschiedliche Entwicklungsaufgaben, das Anforderungsprofil sowie kritische Lebensereignisse eines Individuums und legt mit seinem entwicklungspsychologischen Konzept der Transition einen Schwerpunkt auf die Identitätsentwicklung der am Übergang Beteiligten.4

Mit Transitionen werden demnach Lebensereignisse verstanden, die es sowohl erfordern, Diskontinuitäten zu bewältigen, als auch Prozesse beschleunigten Lernens anzuregen. Dabei ist die eigene Bewältigung sowie die soziale Unterstützung von entscheidender Bedeutung, ob ein Übergang als positiv oder negativ vom Individuum erlebt wird.

Einmalig im Leben eines Kindes: Übergang von der Kinderkrippe in den Kindergarten

Wenn ein Kind eine Kinderkrippe besucht und nun vor dem Wechsel in den Kindergarten steht, ist dieses mit einem Abschied einerseits und einem Neubeginn andererseits verbunden. So müssen sich das Kind, aber auch seine Eltern von der Bezugserzieherin, den anderen Fachkräften, den Eltern und Kindern, vor allem von der vertrauten Umgebung verabschieden. Gleichzeitig müssen sie sich in einer neuen Umgebung zurechtfinden, die neuen Bezugspersonen sowie die dortigen Regeln kennenlernen. 5

Kinder zeichnen sich im Übergang von der Kinderkrippe in den Kindergarten durch ihre erhöhte Kompetenz aus, die sie bereits in vielen Bereichen in der Kinderkrippe erworben haben. Sie bringen bereits Gruppen- und Einrichtungserfahrungen mit, die sie im Übergangsprozess unterstützen. 6

Ein intensiver Prozess: Der Abschied in der Kinderkrippe

Aufgrund einer in der Regel intensiven Krippenzeit werden die Prozesse des Abschieds und der Trennung auf Seiten des Kindes und der Eltern sehr intensiv erlebt. Daher ist es wichtig, dass Eltern bereits früh klare Botschaften erhalten, damit sie so auf der individuellen Ebene den Kindergarten als das Neue und somit als Herausforderung sehen. Grundlegend dafür ist, dass sie sich sicher fühlen, indem ihnen vermittelt wird, dass ihr Kind in der Kinderkrippe, wie auch im Kindergarten, bei seinem Abschied und Neuanfang unterstützt wird. Wenn Eltern von Anfang an wissen, dass für den Wechsel von der Kinderkrippe in den Kindergarten starke Gefühle dazugehören und auch erlaubt sind, wird ihnen der Übergang leichter fallen.7

Auch auf der Beziehungsebene, der interaktionalen Ebene, sind die Anforderungen an die Eltern groß. So müssen sie sich von den pädagogischen Fachkräften der Kinderkrippe verabschieden und gleichzeitig feststellen, dass ihr Kind mehr Selbstvertrauen entwickelt und im Zuge dessen unabhängiger wird und mehr Selbstständigkeit fordert. Außerdem müssen sich die Eltern nun in eine neue Elterngruppe integrieren und haben eventuell Angst vor einer sozialen Diskriminierung, da ihr Kind nicht bis zum dritten Geburtstag in der Familie betreut wurde. In Bezug auf die kontextuelle Ebene erleben die Eltern ebenfalls Veränderungen. So sind die Gruppen im Kindergarten, in denen nun ihr Kind betreut wird, größer. Auch der Personal-Kind-Schlüssel ist häufig niedriger und die strengen Hygienevorschriften, wie sie in der Kinderkrippe erlebt wurden, sind oft im Kindergarten lockerer.8

Anforderungen an pädagogische Fachkräfte im Übergangsprozess

Im Übergangsprozess ist von Seiten der pädagogischen Fachkräfte vor allem Feinfühligkeit gefragt. Nur so kann sie auf Fragen, Erwartungen und eventuelle Ängste sowie damit verbundene Gefühle der Eltern sensibel eingehen. Eltern können ihrem Kind in der Übergangsphase nur die nötige Sicherheit geben, die es für einen gelingenden Übergang benötigt, wenn sie sich als Eltern mit ihren Fragen ernst genommen fühlen.9

Aufgrund der Vielgestaltigkeit des Übergangs benötigen pädagogische Fachkräfte zunächst einmal detaillierte Kenntnisse davon, was ein Übergang ist und was ihn auszeichnet. Dies schließt das Wissen der Fachkräfte, z.B. auf Bindungsbeziehungen von Eltern und Kind oder auch die emotionale Entwicklung des Kindes, mit ein. Es treten somit im Übergang typische Aspekte der emotionalen Aufruhr und Anspannung auf, die auch die Eltern sehr deutlich erleben.10

Ein gelingender Übergang: Basis für die Zusammenarbeit mit Eltern

Darüber hinaus verbirgt sich in einem gelingenden Übergang der Kernpunkt dafür, dass Eltern auch weiterhin in der Einrichtung präsent sind und sich aktiv einbringen. Demzufolge ist es unter anderem wichtig, Eltern im Übergang einzubeziehen und ihnen deutlich zu machen, wie sie sich im Übergangsprozess verhalten sollen und was von ihnen erwartet wird.11

Weiterhin müssen die Fachkräfte der Einrichtungen Schnittstellen zwischen den Einrichtungen finden, damit Eltern (und natürlich auch das Kind) die neue Umgebung bereits einmal kennen lernen und dadurch Wissen und eine Vorstellung davon haben, was später auf sie zukommen wird.12 Ebenso sollten die pädagogischen Fachkräfte mit den Kindergartenkindern die Neuaufnahmen gemeinsam besprechen, um so eine anregende Interaktionsumgebung zwischen den Kindern zu schaffen. Dies gilt natürlich auch für die Eltern, die zu einem Elternabend eingeladen werden können, um auch Kontakte zwischen den verschiedenen Eltern herstellen zu können. Grundsätzlich kann gesagt werden, dass Eltern eine wichtige Bezugsquelle für neue Eltern sind.13

Eine anregende Interaktionsumgebung schaffen

Fachkräfte müssen also, auch für die Eltern, eine anregende Interaktionsumgebung schaffen. Somit sollten den Eltern vielfältige Gelegenheiten geboten werden, ihre Gefühle, Fragen und Anliegen zum Ausdruck zu bringen und sie somit aktiv im Prozess zu beteiligen. Dabei dürfen diese nicht nur als Unterstützer ihres Kindes gesehen werden, sondern als eigenständige erwachsene Bewältiger.14 Ihnen muss also, im Sinne der Partizipation, in einem "Dialog von Anfang an" auf Augenhöhe begegnet werden. Im Zuge des inklusiven Wandels ist von Seiten der Fachkräfte die Heterogenität der Eltern zu beachten. Auch diese im Blick zu haben und im Übergang mit einzubeziehen, ist ein entscheidendes Kriterium für einen gelungenen Übergang. Es werden alle Eltern benötigt, um allen Kindern eine gute Bildungschance und -laufbahn zu ermöglichen.15

Fazit

Vor dem Hintergrund des zum 01.08.2013 eintretenden § 24 SGB VIII, der einen Krippenanspruch für Kinder ab dem vollendeten 1. Lebensjahr vorsieht, werden nun mehr Eltern im Übergang von der Kinderkrippe in den Kindergarten involviert sein. Die Wichtigkeit der qualitativen Begleitung dieses Übergangs muss demnach in den Fokus rücken, auch deswegen weil sich ein gelungener frühkindlicher Übergang positiv auf die Bewältigung weiterer Übergänge auswirkt. Dabei darf die Doppelrolle der Eltern in diesem Übergangsprozess nicht außer Acht gelassen werden. Mit Hilfe von Aus- sowie Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten zu diesem Thema können die pädagogischen Fachkräfte gezielt in diesem Übergang unterstützt werden.

Fußnoten

1 vgl. Niesel & Griebel 2000; Griebel & Niesel 2011

2 vgl. Niesel & Griebel 2000; Griebel & Niesel 2011

3 vgl. Griebel & Niesel 2004, S. 35ff.

4 vgl. Niesel 2012.

5 vgl. StMAS & IFP 2007, S. 114; Niedersächsisches Kultusministerium 2012, S. 78f.

6 vgl. StMAS & IFP 2007, S. 114

7 vgl. Griebel & Niesel 2011, S. 111; StMAS & IFP 2007, S. 114.

8 vgl. Griebel & Niesel 2011, S. 111; StMAS & IFP 2007, S. 114.

9 vgl. Textor 2006, S. 21ff.

10 vgl. Niesel 2012.

11 vgl. Niesel 2012.

12 vgl. Griebel 2012.

13 vgl. Griebel 2012.

14 vgl. Niesel 2012.

15 vgl. Niesel 2012; Griebel 2012.