Die um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert in West- und Mitteleuropa einsetzende Industrialisierung brachte Veränderungen der sozio-ökonomischen Verhältnisse (Trennung von Produktion und Privatsphäre, Arbeit beider Eltern außerhalb des Hauses, Entstehung des Industrieproletariats, Kinderarbeit) sowie soziale Noterscheinungen (wie z.B. Wohnungsnot, Seuchen, Hungersnöte, Teuerungen, lange Arbeitszeiten, schlechte Entlohnung und Massenarmut) mit sich. Dies führte zu einer enormen Verschlechterung der Lebenssituation, besonders der Kinder von Fabrikarbeitern, Kleinbauern und Arbeitslosen. Angesichts der großen Notstände erwuchs der neu erwachten Kleinkindpädagogik eine bis dahin unbekannte Bedeutung. Teils aus christlich-humanitären Motiven, teils um die Mütter als Arbeiterinnen beschäftigen zu können, wurden zunehmend Einrichtungen für die Aufbewahrung und Betreuung der Kinder geschaffen. In Deutschland entstanden nun nach und nach Kinderbewahranstalten bzw. Kleinkinderschulen. In den ersten Einrichtungen der öffentlichen Kleinkindererziehung betreuten zunächst nichtausgebildete Frauen als sogenannte »Wartefrauen« bzw. »Kindermägde« die Kinder.
Fröbel: Die Kindergärtnerin mit »mütterlichem Sinn«
Von Anfang an verband Friedrich Fröbel (1782–1852) mit dem sich seit 1850 ausbreitenden Kindergarten die Forderung nach einer Ausbildung der dort beschäftigten Fachkraft, der sogenannten »Kindergärtnerin«. Ursprünglich wurden zum damaligen Zeitpunkt viele Kleinkindeinrichtungen von Männern geleitet. Es entstand ein Streit darüber, ob Frauen oder Männer geeigneter sind, einer solchen Einrichtung vorzustehen. Nachdem Fröbel seinen Entwurf des »Kindergartens«, der sich hauptsächlich am mütterlichen Umgang mit den Kindern orientierte, entwickelt hatte, bevorzugte er das weibliche Geschlecht für die Arbeit im Kindergarten. Damit war gleichzeitig der Beruf der Kindergärtnerin verbunden.
Fröbel verband mit seinem Ideal einer »professionellen Mutterschaft« (Allen 1994, S. 10) sein Ziel einer neuen Frauenbildung, »die dem weiblichen Geschlecht das Einbringen ihrer mütterlichen Fähigkeiten in den öffentlichen Bereich ermöglichen sollte« (Berger 2000, S. 2). Schon 1839 hatte Fröbel die große Bedeutung der Frau für die früheste Erziehung hervorgehoben: »Je ungeteilter ich mich der ersten Kinderpflege hingebe, desto mehr sehe ich ein, dass dasjenige, was notwendig für die erste Erziehung des Menschengeschlechtes, für die Kindheit geschehen muss, am wenigsten durch den Mann und besonders nicht durch ihn vereinzelt geschehen kann, sondern dass ihm vor allem der weiblich mütterliche Sinn der Frauen, die weiblich mütterliche Liebe zur Seite stehen muss« (Fröbel, zit. n. Prüfer 1927, S. 90 f.). Bereits in den Anfängen hat das Berufsbild der Kindergärtnerin speziell im Berufsfeld der Frühpädagogik eine genderspezifische Zuschreibung erfahren.
Anhängerinnen der Frauenbewegung
Vertreterinnen der entstehenden bürgerlichen Frauenbewegung fühlten sich von Fröbels geschlechtsspezifischem Rollenentwurf für die Frauen angesprochen und griffen z.T. seine Ideen auf: »Hierbei kam wiederum dem Begriff der »Mütterlichkeit« die zentrale Bedeutung zu. Mit diesem Begriff versuchte die Frauenbewegung die eigenständigen Kompetenzen von Frauen zu erfassen; er schloss all die spezifischen Fähigkeiten ein, welche die Frauen sich selbst zuschrieben und die es ihnen ermöglichen sollten, sich gegen die Männer abzugrenzen und gleichfalls zu behaupten. Sich dabei an ihrer Rolle in der Familie im Rahmen des bürgerlichen Modells orientierend, erhoben die bürgerlichen Frauen die »Mütterlichkeit« zum Programm. Die »organisierte Mütterlichkeit« stellte ihren Versuch dar, an der männlichen Kultur teilzunehmen, ohne ihre weibliche Identität zu verlieren« (Gebhardt 1998, S. 26 f.).
Weibliche Berufe schaffen
Goldschmidt (1825–1920) wollte den Frauen speziell »Weibliche Berufe« zum Ziel setzen und verwirklichte aus diesem Grund 1910 in Leipzig die Idee der Frauenhochschule, an der Studienkurse für Lehrerinnen an Kindergärtnerinnenseminaren, Frauenschulen und anderen Lehranstalten sowie Studienkurse für eine soziale Berufstätigkeit eingerichtet wurden. Schrader-Breymann (1827–1899) bemühte sich um eine Einbeziehung von hauswirtschaftlichen Tätigkeiten in die Ausbildung zur Kindergärtnerin. Außerdem strebte sie ein Kindergärtnerinnen-Leitbild an, das sich an der Mutter orientierte und dementsprechend Familienatmosphäre in den Kindergarten tragen sollte.
Im Rahmen der Frauenbewegung wurde der Kindergärtnerinnenberuf als eine der seltenen Möglichkeiten der beruflichen Arbeit gesehen, um der Frau berufliche Emanzipation und Anerkennung zu verschaffen. Diese Form der Frauenemanzipation wurde aber auch von dem Verständnis getragen, dass die Frau aufgrund spezifischer weiblicher Eigenschaften für den Kindergärtnerinnenberuf prädestiniert sei. Demzufolge wurden aus der Mutterrolle die Berufsanforderungen an die Kindergärtnerin abgeleitet, wobei besonders auf ihre mütterliche Kraft Wert gelegt wurde. Clara Zetkin als Vertreterin der proletarischen Frauenbewegung betrachtete Kindergärten und Kinderhorte – ähnlich wie die Vertreterinnen der bürgerlichen Frauenbewegung – als für die Frau hervorragendes Arbeitsfeld, »das sich eng an den häuslichen, mütterlichen Pflichtenkreis der Frau anschließt, eine Erweiterung und Vertiefung derselben bedeutet. All ihre mütterliche Liebe, Wärme, Einsicht könnte sie da den Kindern anderer geben« (Zetkin 1957, S. 43).
Mit der Gründung des Kindergartens hatte Fröbel eine neue Einrichtung der Kleinkinderziehung und zugleich den neuen Beruf der Kindergärtnerin, für die eine eigene Ausbildung erforderlich war, geschaffen. Da aber die Kindergärten und seine Vorgänger nicht wie in vielen anderen Ländern als erste Stufe eines einheitlichen Bildungssystems galten, wurde die Kindergärtnerin folgerichtig auch nicht zusammen mit Lehrern ausgebildet, sondern an Ausbildungsstätten, die oft an hauswirtschaftlich-pflegerische Schulen angeschlossen waren.
Alice Salomon (1872–1948) beeinflusste zu einem wesentlichen Teil auch den Zusammenhang zwischen der Rolle der Frau und der Sozialen Arbeit als ein tendenziell weibliches Berufsfeld. Salomon begründete spezielle Ausbildungsstätten für Frauen, die in der Sozialen Arbeit tätig sein wollten, u.a. so: »Erst wenn die Frauen ihre Arbeit selbst formen, die eigenen Wertsetzungen in sie hineintragen, ihre Geschlechtsindividualität in der Arbeit zum Ausdruck bringen, werden sie zu produktiveren, wesensgemäßen Leistungen und zu entscheidenden Einflüssen auf die Kultur gelangen« (Salomon 1928, S. 8, zit. n. Dürkop 1983, S. 57).
Rollendifferenzierung im Nationalsozialimus
Die nationalsozialistische Ideologie und deren pädagogische Vorstellungen sahen eine strenge Rollendifferenzierung vor. Die Verklärung der Frau als Mutter führte dazu, dass eben diese Rolle sowie die der Hausfrau als erstrebenswertes Ziel und Verpflichtung jeder Frau angesehen wurden. Da dieser Auffassung zufolge Pflege und Erziehung dem angenommenen Charakter der Frau entsprachen, prägte das Bild der Frau als Mutter und Hausfrau sehr stark auch das Leitbild des Kindergärtnerinnenberufes.
Wie sieht es heute aus?
Dem Erzieherinnenberuf hängt seine historische Ausgangslage bis heute immer noch an: die Herkunft aus einem Beruf der Armenpflege und der Fürsorge. Dem weiblichen Geschlecht zugeschriebene Eigenschaften und Verhaltensmuster wie Verstehen, Dulden, Helfen, Sich-Aufopfern und auf Selbstdarstellung verzichten waren geradezu geschaffen für die Übernahme von Erziehungsaufgaben. Das traditionelle Frauenbild sieht die Frau immer noch als »natürliche« Erzieherin, der eine »naturgegebene« Fähigkeit im Umgang mit Kleinkindern zugeschrieben wird. Bis in die 1960er Jahre orientierte man sich vornehmlich an diesem Leitbild der Erzieherin: »Sie leben weniger aus dem Intellekt heraus, dafür bringen sie ausgeprägte Fraulichkeit und Mütterlichkeit mit und einen tiefen, warmherzigen Willen, Kindern in Not zu helfen« (Kietz 1966, S. 156).
Die bis heute noch immer fehlende gesellschaftliche Anerkennung des Erzieherinnenberufes drückt sich nicht nur durch die Einordnung auf einem unteren Platz der Prestigeskala aus, sondern vielmehr auch durch gewisse Vorurteile gegenüber diesem Beruf: »Wir hören oft, Kindergärtnerinnen müssten nur so ein bisschen auf die Kinder aufpassen. Dabei gäbe es nichts zu tun als rumsitzen und zuschauen, ein paar Spielchen machen, malen und basteln« (Colberg-Schrader 1988, S. 302). Eine Gesellschaft, die weitgehend auf dem individuellen Leistungsprinzip aufbaut, sieht die berufliche Beschäftigung mit Kindern als wenig produktiv an. Sparmaßnahmen auf dem sozialen Sektor und die noch immer zu geringe Entlohnung der Erzieherinnen verdeutlichen diesen Zustand.
Mehr Männer als Erzieher gewinnen
Angesichts einer seit den Anfängen dieses Berufes bestehenden Feminisierung stellen Männer bis heute eine deutlich unterrepräsentierte Gruppe gegenüber ihren weiblichen Kolleginnen dar. 2016 waren von insgesamt 544.713 Beschäftigten in der Frühpädagogik 27.114 männliche Erzieher, Praktikanten etc. (ca. 5%). Während in den Bundesländern Hamburg (10,9%), Berlin (9,6%) und Bremen (8,9%) fast jeder zehnte Beschäftigte männlich war, kommen Männer in Kindergärten insbesondere in Bayern (2,9%) sehr selten vor.
Bisher gestartete Programme, Kampagnen und Initiativen, um den Anteil von männlichen Erziehern zu erhöhen, haben einen leichten Zuwachs erreicht.
Aber trotzdem bleibt festzuhalten, dass in Berufen, die traditionell als weiblich gelten, Vergütung, Ausbildung, Arbeitsbedingungen und Status nicht die gewünschte gesellschaftliche Anerkennung erhalten. Fortschritte in der Professionalisierung des Erzieherinnenberufes, z.B. durch ein Aufsteigen der Erzieherinnenausbildung auf ein Hochschulstudium entsprechend der Ausbildung von Lehrkräften und SozialpädagogInnen, könnten dazu führen, dass dieser Beruf sein Image aufbessert und auch für Männer attraktiver wird.
Eine Korrektur des sozialen Status dieses Berufes, eine bessere Vergütung und eine positivere gesellschaftliche Einordnung dieser Berufsgruppe würden auch auf männliche Bewerber eine stärkere Anziehungskraft ausüben.
Fazit
Seit Beginn der außerfamiliären Kindererziehung ist der Beruf der Erzieherin bis heute in erster Linie ein Betätigungsfeld für Frauen, das ihnen problemlos offensteht. Der Beruf der Erzieherin im Elementarbereich ist bis heute ein weitgehend typischer Frauenberuf und in gewisser Hinsicht das »historische Flaggschiff sozialpädagogischer Ausbildung in Deutschland« (Beher et al. 1999, S. 5). Um dieses Ungleichgewicht der Geschlechter zu verändern, müssten erhebliche und nachhaltige Anstrengungen einsetzen, um den Männeranteil zu erhöhen. Eine deutlich bessere Vergütung, eine Höherqualifizierung der Ausbildung, weitere Fortschritte in der Professionalisierung, ein breiterer Organisationsgrad (Gewerkschaften, Verbände) der berufstätigen Erzieher/innen und eine damit verbundene stärkere gesellschaftliche Einmischung dieser Berufsgruppe könnten zu mehr Gender-Vielfalt im Bereich der Frühpädagogik beitragen.
Literatur
Allen, A. (1994): Öffentliche und private Mutterschaft, in: Jacobi, J. (Hrsg.): Frauen zwischen Familie und Schule. Professionalisierungsstrategien bürgerlicher Frauen im internationalen Vergleich, Köln.
Beher, K. u.a. (1999): Das Berufsbild der Erzieherin, Neuwied.
Berger, M. (2000): Frauen in der Geschichte des Kindergartens: Eine Einführung, Dillingen.
Colberg-Schrader, H. (1988): Die Rolle des Erziehers und sein Selbstverständnis, Freiburg i. Br.
Dürkop, M. (1983): Alice Salomon und die feministische Sozialarbeit, Weinheim.
Gebhardt, D. (1998): Von der »Mütterlichkeit« und »Professionalität« – eine sozialhistorische Analyse des Berufsprofils der Kindergärtnerin/Erzieherin im Elementarbereich, Tübingen.
Goldschmidt, H. (1909): Was ich von Fröbel lernte und lehrte, Leipzig.
Kietz, G. (1966): Die Kindergärtnerin – Soziale Herkunft und Berufswahl, München.
Prüfer, J. (1927): Friedrich Fröbel – Sein Leben und Schaffen, Leipzig.
Zetkin, C. (1957): Über Jugenderziehung, Berlin.