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Gelingende Transferprozesse zwischen Wissenschaft und Kita-Praxis

sind ein aktuelles und viel diskutiertes Thema. Die Fachtagung »Transfer in der frühkindlichen Bildung: Wissenschaft, Praxis und Bildungsadministration im Dialog« brachte die verschiedenen Akteure aus Wissenschaft, Praxis und Bildungsadministration an einen Tisch und es wurden Chancen und Grenzen im Theorie-Praxis- bzw. Praxis-Theorie-Transfer diskutiert. Unter welchen Bedingungen gelingen Transferprojekte und welche Herausforderungen entstehen dabei? Welche Rolle spielt der Austausch zwischen den verschiedenen Akteuren beim Prozess? Die Ergebnisse, die bei der Fachtagung herausgekommen sind, haben Dr. Heike Wadepohl und Katarina Wagner in diesem Beitrag für Sie zusammengefasst.

Wissenschaft und Praxis miteinander verbinden

Wissenschaft und Praxis miteinander verbinden

Der Spagat zwischen Theorie und Praxis ist ein stets aktuelles Thema im Elementarbereich. Hier gilt es, Brücken zwischen den neuesten Erkenntnissen der Forschung und dem Tagesgeschehen in der Kita zu bauen. Das Vermitteln zwischen hohem konzeptionellem Anspruch und Kita-Alltag benötigt eine praxisnahe Forschung auf der einen und aufgeschlossene, weiterbildungsinteressierte pädagogische Fachkräfte auf der anderen Seite.

»Die Vermittlung zwischen theoretisch fundiertem Wissen und reflektiertem Erfahrungswissen sowie die Verbindung eines ›wissenschaftlich-reflexiven‹ mit einem ›praktisch-pädagogischen Habitus‹ (Helsper 2001: 12) gehören zum Kern professionellen Handelns […].« (Nentwig-Gesemann et al. 2011: 9)1

Darüber hinaus soll pädagogisches Handeln stets an den Interessen und entwicklungsbezogenen Bedürfnissen der Kinder ansetzen. Wie bringt man nun diese Pole zusammen – wie können Forschungsergebnisse sinnvoll in die Praxis umgesetzt werden? Und wie kann die Forschung von den Erfahrungen der Praxis profitieren?

Wie dies gelingen kann, welche Akteure, Kompetenzen und Rahmenbedingungen dafür auf Seiten der Wissenschaft sowie der Praxis notwendig sind und welchen Herausforderungen sich die Beteiligten im Transferprozess stellen müssen, wurde auf der Fachtagung »Transfer in der frühkindlichen Bildung: Wissenschaft, Praxis und Bildungsadministration im Dialog«2 im November 2018 in der Berliner Repräsentanz der Robert Bosch Stiftung diskutiert.

Ziele des Theorie-Praxis-Transfers

Die Psychologin Prof. Dr. Petra Strehmel von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg stellte in ihrem Einführungsvortrag die Bedeutung von Transferprozessen zwischen Theorie bzw. wissenschaftlichen Erkenntnissen und frühpädagogischer Praxis heraus. Im Fokus steht dabei, die in Aus- und insbesondere der Weiterbildung erworbenen Kompetenzen in das eigene pädagogische Handeln in konkreten Praxis- bzw. Alltagssituationen zu »übersetzen«. Anschließend sollen diese – im optimalen Fall wissenschaftlich begründeten – Handlungsroutinen langfristig und nachhaltig in der Praxis verstetigt werden. Ziel ist weiterhin, im Rahmen von Team- und Organisationsentwicklungsprozessen Standards des (veränderten) professionellen Handelns zu schaffen und zu reflektieren, die sich dann wiederum auf die Kita-Qualität und die Entwicklung der Kinder auswirken (sollen).

Bisher wenige Erkenntnisse zum Theorie-Praxis-Transfer

Angesichts der hohen Weiterbildungsbereitschaft der Kita-Fachkräfte ist es umso erstaunlicher, dass nur wenige der Weiterbildungskonzepte wissenschaftlich evaluiert sind. Die Ergebnisse derartiger Untersuchungen zeigen zwar einerseits, dass es durchaus möglich ist, die Handlungskompetenzen der Fachkräfte durch Trainings (zumindest kurzfristig) zu verändern. Allerdings werden kaum Aussagen darüber getroffen, wie nachhaltig die Veränderungen sind bzw. inwiefern es durch die Weiterqualifizierung der Kita-Teams schlussendlich gelingt, zu einer Verbesserung der kindlichen Entwicklung beizutragen (Egert et al., 2017; Friederich, 2017).3 Zudem bleibt häufig offen, unter welchen konkreten Bedingungen die Implementierung von wissenschaftlich fundierten Konzepten in die Praxis (nicht) gelingt und welche (langfristigen) Unterstützungsformate in der Praxis benötigt werden, um Professionalisierungsprozesse voranzubringen und somit die Qualität in der Kita langfristig und nachhaltig zu verbessern.

Rolle verschiedener Akteure

Betont wird hingegen die Notwendigkeit der Einbindung verschiedener Akteure im Transferprozess. Hierfür bedarf es:4 

  • Wissenschaftler/innen verschiedener Disziplinen, die im Bereich der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung forschen, empirische Erkenntnisse gewinnen und diese auch der Praxis verfügbar machen.
  • Akteure aus der Praxis, z.T. mit Multiplikator/innen-Funktion (z.B. Kita-Leitungen, frühpädagogische Fachkräfte, Elternvertretungen), die die Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Erkenntnissen mitbringen und entsprechende Veränderungen vor Ort in der Praxis umsetzen, sich diese »zu eigen machen« und reflektieren.
  • Verantwortliche aus der Bildungsadministration mit einem elementarpädagogischen Schwerpunkt (z.B. Vertreter/innen der Kita-Träger, Fachberatung), die Transferprozesse auch über einzelne Institutionen hinweg gestalten, moderieren und verstetigen.

Gelingensbedingungen & Herausforderungen im Transfer

Die auf der Fachtagung vorgestellten Forschungs- und Praxisprojekte identifizieren eine Reihe weiterer, immer wiederkehrender Gelingensbedingungen für einen wirksamen Theorie-Praxis- bzw. Praxis-Theorie-Transfer:

  • Teamentwicklung (nicht nur Weiterqualifizierung einzelner Fachkräfte)
  • Adaptive und einrichtungsspezifische Gestaltung des Prozesses
  • Ausbildung von Multiplikator/innen aus der Praxis
  • Prozessorientierung und langfristige -begleitung
  • Klare Strukturen und gutes Prozessmanagement
  • Beteiligung der Praxis am Forschungsprozess

Es wird allerdings auch deutlich, welchen Herausforderungen sich entsprechende Transferprojekte in der Umsetzung stellen müssen:

  • Mangelnde Übereinstimmung zwischen theoretischen Erkenntnissen und Zielen der Praxis (Anschlussfähigkeit)
  • Umgang mit unterschiedlichen Voraussetzungen der Beteiligten (z.B. Wissen, Einstellungen, Motivationen)
  • Bestehende Alltagsroutinen und hohe Arbeitsbelastung in der Kita
  • Hohe Personalfluktuation des frühpädagogischen Personals
  • Hohe Ausstiegsrate der Praxis bei begleitender Evaluationsforschung
  • Kaum Finanzierungsmöglichkeiten für längerfristige Transferprojekte
  • Schwierigkeit, die tatsächliche Umsetzung in den Kitas zu dokumentieren (Implementationskontrolle)

Fazit

Die Fachtagung »Transfer in der frühkindlichen Bildung: Wissenschaft, Praxis und Bildungsadministration im Dialog« ermöglichte insbesondere durch die Beteiligung verschiedener Akteure aus der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung (Wissenschaftler/innen, Praktiker/innen sowie Verantwortliche aus der Bildungsadministration) einen Einblick in aktuelle Fragen zum Theorie-Praxis- bzw. Praxis-Theorie-Transfer. Auch zeigten die vielfältigen Beispiele guter Praxis, dass es bereits erfolgreichen Transfer gibt. Dabei wurde deutlich, wie wichtig es ist, wiederkehrende Gelegenheiten zum Austausch zwischen den verschiedenen Akteuren zu schaffen. Denn Forschungsergebnisse können nur dann sinnvoll und konsequent in der Praxis umgesetzt werden, wenn eine langfristige Zusammenarbeit zwischen den Akteuren gesichert ist. Und langjährige, erfahrungsbasierte gute Praxis kann nur durch einen gleichberechtigten Austausch als Impuls für zukünftige Forschung aufgegriffen und durch die Mithilfe forschungsaffiner Kitas vorangebracht werden.

Fußnoten

1: Nentwig-Gesemann, I. et al. (2011). Professionelle Haltung. WiFF Expertisen 24. München: DJI.

2: Die Fachtagung wurde von ehemaligen Stipendiat/innen des Forschungskollegs »Frühkindliche Bildung« der Robert Bosch Stiftung unter Leitung von Dr. Anne-Katharina Harr und Katarina Wagner organisiert und von der Robert Bosch Stiftung gefördert. Weitere Informationen sowie die Poster bzw. Vortragsfolien der Referent/innen sind unter folgendem Link einzusehen: https://www.daf.uni-muenchen.de/personen/wiss_ma/harr/transfer/index.html.

3: Egert, F. et al. (2017). Zentrale Wirkmechanismen von Weiterbildungen zur Qualitätssteigerung in Kindertageseinrichtungen. Frühe Bildung, 6 (2), 58–66.

Friederich, T. (2017). Professionalisierung frühpädagogischer Fachkräfte in Aus- und Weiterbildung. Weinheim: Beltz Juventa.

4: vgl. auch Hasselhorn, M. et al., (2014). Implementation wirksamer Handlungskonzepte im Bildungsbereich als Forschungsaufgabe. Psychologische Rundschau, 65 (3), 140–149.